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Sascha Raabe
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Frage von Rajko H. •

Frage an Sascha Raabe von Rajko H. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Dr. Raabe,
ich habe mit Interesse Ihre Antwort vom 07.11.2008 auf Herrn Lang´s Frage zum Gesundheitsfond gelesen. Dazu habe ich weitere Fragen:
1.) Was halten Sie von der großen Anzahl von Krankenkassen in Deutschland?
2.) Kennen Sie tatsächliche Beispiele für mehr Wettbewerb bei den Kassenleistungen unter dem neuen System?
3.) Würde eine Zentralkasse für alle Bürger nicht viel mehr Einsparungen generieren (nur eine Verwaltung statt vieler) als ein stark staatlich reglementierter Wettbewerb? Ist das überhaupt ein Wettbewerb?
4.) Was sagen Sie zu der in den Medien gehörten Kritik, daß das neue System die Kassen veranlaßt, ihre Mitglieder kränker darzustellen als sie sind, um ihren Anteil am Fond zu maximieren? Die Kassen sollten für viele gesunde Mitglieder belohnt werden, nicht für viele kranke.
5.) Was ist Ihr Ideal für die Krankenversicherung?

Abschließend möchte ich Ihnen meine Idealvorstellung sagen: Alle Bürger werden gleich gut behandelt, in dem die großen und existenzgefährdenden Risiken von der Gesellschaft übernommen werden. Das zweigleisige und ungerechte System von gesetzlichen und privaten KVs wird überwunden, und zwar durch Vereinigung der Vorteile beider Systeme. Eigenverantwortung und gesunde Lebensweise werden belohnt. Der Bürger kann das Maß seiner Risikoversicherung, seinen Lebensverhältnissen entsprechend, beeinflussen.

Mit freundlichen Grüßen,
Rajko Hentschel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hentschel,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Ich finde es gut, dass Sie sich ausführliche Gedanken über eine gerechte Ausgestaltung unseres Gesundheitssystems machen. Und ihre Idealvorstellung stimmt im Kern mit dem überein, was die SPD seit langem fordert.

Weiterhin halten wir die solidarische Bürgerversicherung für die beste Lösung unseres Gesundheitssystems. Denn alle Menschen haben einen Anspruch auf die notwendigen medizinischen Leistungen – unabhängig von ihrem finanziellen Leistungsvermögen. Deshalb halten wir an unserem solidarischen Gesundheitswesen fest, das jeden schützt und von allen nach ihrer Leistungsfähigkeit finanziert wird. Allen Versuchen, eine Zwei-Klassen-Medizin zu etablieren, setzen wir unseren Widerstand entgegen. Es bleibt bei unserem Ziel: eine solidarische Bürgerversicherung für das Gesundheitswesen. Dafür wird sich die SPD auch im Hinblick auf die Bundestagswahl 2009 weiterhin einsetzen. Leider kam diese Art der Krankenversicherung im Zuge der verabschiedeten Gesundheitsreform nicht zu Stande, da die CDU sich gegen diese Versicherungsform aussprach. Aber wir haben uns innerhalb der großen Koalition auf einen vertretbaren Kompromiss geeinigt.

Wichtig war uns u.a. auch, dass die Verwaltungskosten weiterhin niedrig bleiben und damit das Geld direkt den Versicherten zu Gute kommt. Im Bundesversicherungsamt arbeiten momentan 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Gesundheitsfonds verwalten. In meinen Augen ist das eine überschaubare Zahl an Verwaltungspersonal. Der Gesundheitsfonds ist demnach kein Bürokratie-Monster.

Die momentan vorhandene Anzahl von Krankenkassen halte ich für zu hoch, fände allerdings eine Einheitskasse auch problematisch. Verschiedene Krankenkassen legen verschiedene Schwerpunkte bei der Versorgung ihrer Versicherten fest, so dass jeder für sich das beste Paket heraussuchen kann.

Und noch einen Satz zu den in den Medien hochgespielten Äußerungen kranke Mitglieder seien für die Kassen lukrativer:

Zur Deckung ihrer standardisierten Verwaltungsausgaben erhalten die Krankenkassen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) regelt das Verfahren der Standardisierung der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen. Die Standardisierung erfolgt danach in einem Verhältnis von 50:50 anhand der Zahl der GKV-Versicherten einerseits und der Morbidität dieser Versicherten andererseits. D.h., 50 % der Zuweisungsmittel für Verwaltungskosten werden in gleichen Eurobeträgen je Versicherten verteilt, die anderen 50% nach dem Anteil, die die Morbiditätslast der Versicherten der Krankenkasse an der gesamten Morbiditätslast der GKV hat. Diese Regelung berücksichtigt, dass Teile des Verwaltungshandelns einer Krankenkasse in unmittelbarem Zusammenhang mit der vom Gesundheitszustand abhängigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen stehen. Die Standardisierung der Kosten für Satzungs- und Mehrleistungen erfolgt allein auf der Grundlage der Zahl der Versicherten. Diese Klausel wurde eingeführt, da die Krankenkassen ungleiche Versichertenstrukturen haben. Einige haben überdurchschnittlich viele gut verdienende und gesunde Versicherte, andere versichern überdurchschnittlich viele kranke Menschen und Beitragszahler mit niedrigem Einkommen. Seit 1994 gibt es einen Ausgleich dieser Risikounterschiede zwischen den Krankenkassen. Er ist in einem wettbewerblich organisierten System von Krankenkassen mit freiem Kassenwahlrecht der Versicherten zwingend erforderlich. Der bisherige Risikostrukturausgleich hatte jedoch diese Unterschiede nur unzureichend berücksichtigt. Die Morbidität der Versicherten wurde nur indirekt erfasst, und zwar über die Merkmale Alter, Geschlecht und Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung. Seit 2002 wurden ergänzend auch chronisch Kranke gesondert berücksichtigt, wenn sie in einem zugelassenen, strukturierten Behandlungsprogramm (Disease-Management-Programm, DMP) eingeschrieben waren. Persönlich hätte ich mir einen Verteilungsschlüssel von 70/30 gewünscht. Demnach wären die Verwaltungskosten zu 70 Prozent an der Morbidität und zu 30 Prozent an der Zahl der Mitglieder ausgerichtet gewesen. Auf dieses Modell hatten sich auch die Spitzenverbände der Krankenkassen geeinigt als sie im Rahmen der Pflegeversicherung eigenständig eine Entscheidung treffen musste. Leider kam er nicht zu Stande.

Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass die jetzige Gesundheitsreform für alle Versicherten eine bessere Versorgung gewährleistet. Der große Durchbruch zu mehr Gerechtigkeit wird aber erst durch die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung möglich werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Sascha Raabe