Frage an Sascha Raabe von Claus G. L. bezüglich Gesundheit
Hallo Herr Dr.Raabe,
der Bundestag hat das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsfond ) beschlossen, Sie haben diesem Gesetz zugestimmt.
Bisher war ich in einer günstigen BKK versichert der Beitrag wird um um 1,7 % steigen, dient dies Ihrer Meinung der Stärkung des Wettbewerbes wenn alle den gleichen Satz von 15,5 bezahlen und eventuelle Zusatzzahlungen nur vom Arbeitnehmer zu zahlen sind, zugunsten der Arbeitnehmer.
(Aber dies kenne ich ja schon von der SPD in den letzten Jahren)
Claus G. Lang
Sehr geehrter Herr Lang,
Ihr Schreiben zur Gesundheitsreform habe ich erhalten. Auch wenn ich im Gegensatz zu Ihnen durch den Gesundheitsfonds mehr Chancen für eine gerechte und soziale Lastenverteilung sehe, so finde ich es wichtig und gut, dass Sie sich als Bürger diesem Thema annehmen und sich an mich wenden. Mit diesem Schreiben möchte ich Ihnen meine Sicht der Dinge näher bringen und gehe dabei auch auf die von Ihnen geäußerten Kritikpunkte ein.
Der im Zuge der letztjährigen Gesundheitsreform beschlossene Gesundheitsfonds bildet ab dem 01.01.2009 das Kernstück des neuen Finanzierungskonzepts der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dann gilt in der GKV bundesweit ein einheitlicher Beitragssatz von 15,5 Prozent. Das bedeutet: Alle Krankenkassen verlangen den gleichen prozentualen Beitragssatz. Der einheitliche Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung ist so bemessen, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen der Krankenkassen zusammen mit dem Bundeszuschuss von 4,0 Mrd. Euro 100 Prozent der voraussichtlichen Ausgaben decken. Die Beiträge werden wie bisher von den beitragspflichtigen Einnahmen berechnet und fließen gemeinsam mit Steuermitteln in den neuen Gesundheitsfonds. Die Krankenkassen erhalten dann vom Gesundheitsfonds eine einheitliche Grundpauschale pro Versicherten plus alters-, geschlechts- und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zur Deckung ihrer standardisierten Leistungsausgaben. Hierbei wird die unterschiedliche Versicherten- und Krankheitsstruktur berücksichtigt. Alle Kassen erhalten damit die zur Versorgung ihrer Versicherten notwendigen Mittel auf einer fairen und gerechten Grundlage. Die heutige Verteilung ist nämlich nicht fair. Viele Mitglieder zahlen heute nicht deswegen höhere Beiträge, weil ihre Kasse unwirtschaftlich ist, sondern deswegen, weil ihre Kasse eine ungünstige Versichertenstruktur hat. Es kann nicht sein, dass bestimmte Kassen in Schwierigkeiten geraten, weil sie immer höhere Beiträge verlangen müssen, da sie besonders viele kranke, alte oder Menschen mit geringen Einkommen zu versorgen haben. Der neue Fonds führt zu einer gerechteren und einfacheren Verteilung der Beiträge der Versicherten. Krankenkassen mit älteren und kranken Versicherten erhalten mehr Finanzmittel als Krankenkassen mit einer Vielzahl an jungen und gesunden Versicherten. Mit Einführung des Gesundheitsfonds und dem bundesweit einheitlichen Beitragssatz wird somit die Beitragsgerechtigkeit verbessert.
Wichtig zu wissen ist: Der Gesundheitsfonds führt nicht zu höheren Kosten im Gesundheitswesen. Ein höherer Finanzbedarf der Krankenkassen und ein im Vergleich zum aktuellen Durchschnittsbeitrag höherer einheitlicher Beitragssatz haben nichts mit der Einführung des Gesundheitsfonds zu tun. Denn dieser verändert grundsätzlich weder die Gesamteinnahmen noch die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Es werden allein die Zahlungsströme neu geordnet. Beitragssatzerhöhungen resultieren u.a. aus einer besseren Vergütung für ambulante ärztliche Leistungen, finanziellen Entlastungen der Krankenhäuser, sowie aus steigenden Arzneimittelausgaben. Die Finanzierung des medizinisch technischen Fortschritts und die Zunahme chronischer Krankheiten im Rahmen einer älter werdenden Gesellschaft erfordern diese zusätzlichen Finanzmittel. Wäre es übrigens nach den Vertretern der Krankenkassen gegangen, dann wäre die Anhebung des Beitragssatzes noch deutlich höher ausgefallen. Schließlich waren sie es, die eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0,9 Beitragssatzpunkte anstatt der nun von der Politik durchgesetzten 0,6 Prozentpunkte forderten.
Trotz einheitlichem Beitragssatz stellt der Gesundheitsfond darüber hinaus sehr wohl auch ein wirtschaftliches Anreizsystem für die Krankenkassen dar, denn die Krankenkassen können vom einheitlichen Beitragssatz abweichen. Gut wirtschaftende Kassen werden ihren Kunden Geld zurückzahlen. Krankenkassen, deren Manager sich nicht anstrengen, können von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag verlangen. Dieser ist auf maximal ein Prozent der beitragspflichtigen Einkünfte begrenzt. Die Versicherten werden sich ihre Kassen genau ansehen: Welche Kasse bietet eine gute Versorgung? Welche Kasse bietet guten Service für Versicherte und Patienten? Welche schafft das ohne Zusatzbeitrag, welche nicht? Und wer kann Prämien auszahlen? Das bringt viel mehr Wettbewerb als heute und kommt den Versicherten zugute.
Sicherlich gibt es an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungsbedarf. Die Gesundheitsreform 2007 war schließlich das Kompromisspaket, auf das sich SPD und Union in der großen Koalition einigen konnten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass vor der letzten Bundestagswahl beide Parteien völlig unterschiedliche Modelle zur Reformierung des Gesundheitswesens entworfen hatten: da war auf der einen Seite die solidarische Bürgerversicherung der SPD und auf der anderen Seite die Kopfpauschale von CDU/CSU. Die SPD-Bundestagsfraktion steht weiter dafür ein, dass die Absicherung gegen Krankheitsrisiken eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, bei der Reiche für Arme, Gesunde für Kranke und Junge für Alte einstehen. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel und den medizinischen Fortschritt wird künftig noch mehr Solidarität notwendig sein. Für uns heißt das, dass wir an unserer Idee der solidarischen Bürgerversicherung festhalten und für die Zeit nach der Bundestagswahl 2009 auf eine politische Mehrheit hoffen, mit der sich dieses Modell realisieren lässt.
Es ist eine der großen Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft, das Gesundheitswesen einerseits leistungsstark und andererseits bezahlbar zu erhalten. Aus meiner Sicht ist die logische Konsequenz der gestiegenen Anforderungen an unser Gesundheitssystem, dass die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der GKV zunehmend aus Steuermitteln zu finanzieren sind. Für mich zählt gerade im Gesundheitswesen der alte sozialdemokratische Grundsatz, wonach starke Schultern mehr tragen müssen als schwache Schultern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sascha Raabe