Frage an Sascha Raabe von Joerg W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Raabe,
in einer Antwort an Martin Aldick begründen Sie ihre Stimme für den Tornadoeinsatz u.a. mit der Aussage: "Keiner würde es verstehen, wenn dort weiterhin Soldaten der ISAF-Truppe sterben und wir Deutschen tatenlos zusehen, obwohl wir einen entscheidenden Baustein liefern könnten, das zu verhindern."
Ich habe viel mit Amerikanern, Briten und Kanadiern zu tun und betreibe auch ein Blog zu den transatlantischen Beziehungen. Aus vielen Leserreaktionen ist zu schliessen, dass unsere Verbündeten stinksauer sind, dass die Bundeswehr sich nicht an Einsätzen in Südafghanistan beteiligt.
Die Entsendung der Tornados ist zwar für Deutschland ein grosser Schritt. Unsere Verbündeten aber sehen dies als einen Tropfen auf den heissen Stein.
Die Rufe für mehr deutsches Engagement und Bündnissolidarität werden nach der Entsendung der Tornados NICHT leiser werden.
Wie rechtfertigen Sie die deutsche Position gegenüber den Bündnispartnern?
Sie schreiben ausserdem: "man würde sich manchmal wünschen, dass die USA statt in mehr Feuerkraft besser ebenso mehr in den Wiederaufbau Afghanistans investieren. Die Europäer sind da sehr viel weiter."
Sind die Europäer tatsächlich "sehr viel weiter" als die Amerikaner?
Sie erwähnen die Aufstockung der deutschen Hilfe um 20 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro. Die Amerikaner geben jedoch ganz andere Summen aus. Sie stocken ihre Hilfe um 10 Milliarden $ auf:
"The United States sought to lead by example, as Secretary of State Condoleezza Rice, who called for the Brussels meeting in the hope of spurring more action from the Europeans, told the assembled ministers that President Bush will ask Congress for $10.6 billion in additional financial assistance for Afghanistan. "
http://atlanticreview.org/archives/576-Fixing-the-Afghanistan.html
Mit freundlichen Grüssen,
Jörg Wolf
Sehr geehrter Herr Wolf,
unsere Verbündeten innerhalb der NATO und hier speziell die am ISAF-Einsatz beteiligten Staaten sehen, dass die Bundeswehr im Norden Afghanistans hervorragende Arbeit leistet. Im Norden funktioniert der Ansatz der zivil-militärischen Zusammenarbeit im Großen und Ganzen sehr gut, und das ist nicht zuletzt auf den mit sehr viel Augenmaß und Sensibilität für die Befindlichkeiten der Bevölkerung durchgeführten Bundeswehreinsatz zurückzuführen. Eine Verlagerung der deutschen Truppen in den Süden würde zur Zeit wenig Sinn machen. Da ein Aufstocken des deutschen Kontingents in Afghanistan aufgrund der Vielzahl von Auslandseinsätzen der Bundeswehr kaum möglich ist, würde eine Verlagerung der deutschen Soldaten zwangsläufig dazu führen, dass der erfolgreiche Einsatz im Norden beendet werden müsste. Das kann keiner ernsthaft wollen. Eine deutsche Beteiligung am Einsatz im südlichen Afghanistan steht daher derzeit nicht zur Diskussion.
Ich begrüße es im Übrigen ausdrücklich, dass die USA ihre Mittel für Afghanistan in diesem Jahr noch einmal aufgestockt haben. Trotzdem ist es wohl eine Tatsache, dass das Hauptgewicht des US-amerikanischen Engagements nach wie vor auf dem militärischen Teil der Operation liegt. Das ist zweifellos der ungleich schwierigeren Sicherheitslage in den südlichen Provinzen geschuldet. Ich denke aber, dass selbst im Süden noch mehr für den zivilen Aufbau getan werden müsste. Hier sind die USA aber natürlich auch alle anderen beteiligten Staaten in der Pflicht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sascha Raabe