Frage an Sascha Raabe von martin a. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Raabe,
mich interessiert Ihre persönliche Einstellung zu diesem Kriegseinsatz.. Ich war Freiwilliger bei der Bundeswehr, kann das Engagement deutscher Truppen außerhalb Europas nicht nachvollziehen. Warum rasseln wir wieder mit dem Säbel?
Sehr geehrter Herr Aldick,
ich kann Ihnen versichern, dass mir als Abgeordnetem keine Entscheidung so schwer fällt, wie die über den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland. Trotzdem müssen diese Entscheidungen unter Abwägung aller Argumente von Fall zu Fall getroffen werden, denn es ist meine feste Überzeugung, dass sich Deutschland als Mitglied der Staatengemeinschaft seiner internationalen Verantwortung stellen muss.
Grundsätzlich sehe ich die Ausweitung des militärischen Engagements in Afghanistan mit einer gewissen Skepsis. Ich sehe aber auch, dass man den zivilen Aufbau nicht losgelöst von der militärischen Mission sehen kann. Ich möchte Ihnen kurz die Gründe darstellen, die für die Mandatserweiterung sprechen.
Nach wie vor ist die Sicherheitslage insbesondere im Süden von Afghanistan äußerst angespannt. Immer wieder werden die dort stationierten ISAF-Kräfte in schwere Kämpfe verwickelt oder zu Zielscheiben heimtückischer Anschläge. Nach Einschätzung der Militärs könnte eine bessere Luftaufklärung für Entlastung sorgen. So könnten die Informationen über drohende feindliche Übergriffe präzisiert und gleichzeitig die Gefahr ziviler Opfer bei notwendigen eigenen Aktionen verringert werden. Die NATO ist daher mit der Bitte an Deutschland herangetreten, für einen befristeten Zeitraum Kapazitäten für die luftgestützte Aufklärung zur Verfügung zu stellen, da die deutschen Tornados des speziellen Typs RECCE für diese Art der Aufklärungsarbeit besonders gut geeignet sind. Unsere NATO-Partner sind der Ansicht, dass die technischen Möglichkeiten der Tornados für eine aussichtsreiche Strategie am Boden unverzichtbar sind. Das heißt nicht, dass sich Deutschland jetzt auch am Boden-Krieg in Süd-Afghanistan beteiligt. Außenminister Steinmeier hat in der Fraktion in dieser Woche ausdrücklich hervorgehoben, dass die Entscheidung über den Tornado-Einsatz keinen Einstieg in eine Süd-Verlagerung der deutschen Truppen bedeutet.
Ich bin der Meinung, dass wir uns dem Hilfeersuchen unserer Partner nicht entziehen können. Keiner würde es verstehen, wenn dort weiterhin Soldaten der ISAF-Truppe sterben und wir Deutschen tatenlos zusehen, obwohl wir einen entscheidenden Baustein liefern könnten, das zu verhindern. Wenn es mit diesen Flugzeugen wirklich gelingen kann, das Leben der Soldaten und darüber hinaus das der unschuldigen afghanischen Zivilbevölkerung zu schützen, dann ist der Einsatz richtig. Niemand will, dass deutsche Soldaten in Afghanistan sterben, aber ich möchte auch nicht für den Tod kanadischer, amerikanischer oder britischer Soldaten verantwortlich sein.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Stabilität Afghanistans in unserem eigenen Sicherheitsinteresse liegt. Deshalb engagieren wir uns militärisch in der Region. Es muss gelingen, Afghanistan als den Rückzugsraum für Terroristen, der es bislang war, auszuschließen. Das gilt für ganz Afghanistan, den Norden und den Süden losgelöst voneinander zu betrachten macht insofern keinen Sinn. Ein Scheitern der internationalen Mission in Afghanistan wäre jedenfalls fatal. Wenn die Taliban wieder an die Macht kämen, wäre dies der Triumph des internationalen Terrorismus und aus Afghanistan heraus würden Anschläge geplant und verübt werden, die auch in Deutschland unzählige Menschenleben kosten könnten.
Bei aller Notwendigkeit der militärischen Mittel, die wir dort einsetzen, dürfen wir den zivilen Aufbau des Landes selbstverständlich nicht außer Acht lassen, denn er entscheidet letztlich über Erfolg und Misserfolg der Mission. Als entwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ist es mir ein besonderes Anliegen, die Entwicklung Afghanistans durch wirtschaftliche und entwicklungspolitische Maßnahmen zu stützen. Hier gibt es trotz intensiver Bemühungen gerade der deutschen Seite aber auch unserer europäischen Partner noch viel zu tun und man würde sich manchmal wünschen, dass die USA statt in mehr Feuerkraft besser ebenso mehr in den Wiederaufbau Afghanistans investieren. Die Europäer sind da sehr viel weiter. Erst in der vergangenen Woche hat unsere Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul angekündigt, dass die deutschen Mittel für die Afghanistan-Hilfe in diesem Jahr um weitere 20 Mio. Euro auf 100 Mio. Euro aufgestockt werden. Auch die EU hat kürzlich zusätzliche Mittel in Höhe von 600 Mio. Euro für die zivile Entwicklung zur Verfügung gestellt. Das sind wichtige Signale an die afghanische Bevölkerung und das ist langfristig der einzig richtige Weg, für Frieden und Sicherheit in Afghanistan zu sorgen.
Ich respektiere, dass Sie einen Einsatz der deutschen Tornados in Afghanistan ablehnen. Ich würde mir aber wünschen, dass Sie die von mir angebrachten Argumente sorgfältig abwägen und in Ihre Betrachtung mit einbeziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sascha Raabe