Frage an Sascha Raabe von Peter J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Morgen ist ja wohl die Debatte zur Beschneidung im Bundestag. In diesem Sinn würde mich sehr interessieren, wie Ihre Meinung zum Thema Beschneidung von nicht einwilligungsfähigen Kindern einzuordnen ist.
In den Medien wird offensichtlich durch extreme Lobbyarbeit von einem hohen Zustimmungsgrad unter den Abgeordneten zum geplanten Gesetzesvorhaben gesprochen. Werden Sie sich dieser Meinung anschließen?
Sind Sie auch der Meinung, dass männliche Säuglinge und Kleinkinder auf Wunsch der Eltern beschnitten werden können? Das scheint mir nebenbei auch mächtig sexistisch zu sein.
Für mich ist nicht erklärlich, dass ein Klaps auf den Po eines Kindes strafbar sein soll, während ein so extremer Eingriff wie die Beschneidung ohne medizinische Indikation, wenn er unter Glaubensgesichtspunkten betrachtet wird, straffrei sein soll.
Für mich handelt es sich in beiden Fällen um einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr Jacubowsky,
bitte entschuldigen zunächst, dass meine Antwort einige Zeit auf sich warten ließ. Für Ihr Schreiben, in dem Sie mich nach meiner Meinung zum Thema Beschneidung minderjähriger Jungen bitten, danke ich Ihnen.
Eingangs möchte ich darauf hinweisen, dass ich mich bei der Abstimmung zur Beschneidung Mitte Dezember enthalten habe. Wie Sie ja wissen, wurde die Beschneidungsdebatte im zweiten Halbjahr 2012 sehr kontrovers geführt. Dabei ist es mir wie vielen meiner Kollegen auch, nicht leichtgefallen, eine Position zu finden.
Grundsätzlich vertrete ich die Ansicht, dass es beim Thema Beschneidung um die Abwägung zweier Rechtsgüter geht: dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und dem Recht der Eltern und des Kindes auf Ausübung ihrer Religion. Ich verstehe hier grundsätzlich beide Seiten. Doch sehe ich als Sozialdemokrat jüdisches und muslimisches Leben sowie deren Kultur als festen Bestandteil der Gesellschaft in Deutschland. Unser Grundgesetz garantiert das Recht auf freie Religionsausübung und macht keinen Unterschied zwischen den einzelnen Glaubensgemeinschaften. Daher spreche ich mich für ein Gesetz aus, nachdem es straffrei ist, Beschneidungen an Jungen durchzuführen - allerdings nur, wenn sichergestellt ist, dass strenge Bedingungen eingehalten werden.
In dem Gesetzesentwurf der Regierungskoalition fehlten allerdings meiner Ansicht nach einige entscheidende Bestimmungen zur Einhaltung medizinischer Voraussetzungen. Aus diesem Grund habe ich einen Änderungsantrag unterstützt, den mein Fraktionskollege Burkhard Lischka in den Bundestag eingebracht hat. Darin enthalten waren einige wichtige Vorschläge zur Präzisierung, wie:
- Ausbildungsvoraussetzungen für nichtärztliche Beschneider
- Anforderungen an die Modalitäten des Eingriffs und an die Schmerzbehandlung des Kindes
- ärztliche Feststellung, dass der Gesundheitszustand des minderjährigen Jungen der Beschneidung nicht entgegensteht
- Konsequenzen bei einer erkennbaren Abwehrreaktion eines älteren Jungen gegenüber einer Beschneidung.
Da der Änderungsantrag abgelehnt wurde, enthielt ich mich in der Abstimmung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sascha Raabe