Frage an Sascha Raabe von Christine P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Raabe,
wenn man auf Ihre Seite von abgeordnetenwatch.de kommt, beziehen sich die letzten 4 Fragen auf das Thema Internetsperren und Ihre Äußerungen über die Piratenpartei. Alle 4 Fragen beantworten Sie mit dem Hinweis auf die Stellungnahme Ihrer Homepage.
Genau auf Ihre Äußerungen dort beziehen sich jedoch die Fragen. Man muss hier den Eindruck gewinnen, Sie wollen Ihre Äußerungen nicht erklären und auch nicht ändern.
Herr Dr. Raabe, ich war bisher immer eine SPD-Wählerin und auch von der Richtigkeit meiner Wahl überzeugt. Die Entwicklungen in der Bundesrepublik, hin zu einer immer stärker werdenden Überwachung und weg von einer Freiheit der Bürger, bereiten mir immer mehr Sorge. Wo soll hier ein Ende sein? Auf welche gesicherte Privatsphäre können wir uns in Zukunft überhaupt noch verlassen? Wie stark wird unsere Freiheit noch eingeschränkt werden? Wie können wir uns gegen diese Tendenzen der Freiheitsbeschränkung und Überwachung wehren? Lösung Piratenpartei?
Meine konkrete Frage in diesem Zusammenhang: Es ist bereits beschlossen, dass der elektronische Personalausweis 2010 kommen wird. Dabei ist auch der Einsatz von RFID-Chips vorgesehen, welche kontaktlos ausgelesen werden können. Die Sicherheit der gespeicherten Daten ist bisher jedoch nicht ausreichend sichergestellt. Daten können, ohne dass der Bürger es bemerkt, von Personen mit entsprechenden Auslesegeräten ausgelesen werden. Wie wird die SPD bzw. wie werden Sie persönlich sich in dieser Frage positionieren und wie soll die Sicherheit der Daten gewährleistet werden?
Zurückkommend auf meine grundsätzlichen Fragen und Sorgen aus dem 2. Absatz, bitte ich Sie um eine Stellungnahme dazu, welche Positionierung die SPD bezüglich der fortschreitenden Überwachung und Freiheitsbeschränkung der Bürger hat.
Ich bin in diesem Wahljahr erstmalig nicht von der Richtigkeit einer Wahl der SPD überzeugt. Vielleicht können Sie mich umstimmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Christine Platt
Sehr geehrte Frau Platt,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Wie Sie bereits richtig anmerken, wird es ab November 2010 in Deutschland einen elektronischen Personalausweis geben. Dieser verfügt über zusätzliche Funktionen. Durch die Möglichkeit des elektronischen Identitätsnachweises kann dieser neue Ausweis zum Beispiel im Internet vielfältig verwendet werden. Das bringt Vorteile für den Staat und den Bürger: So ist es möglich, dass der Inhaber im Internet seine Identität zuverlässig nachweisen kann. Das funktioniert wie bei Kreditkarten und erleichtert die elektronische Kommunikation sowohl gegenüber Behörden als auch bei privaten Rechtsgeschäften. Die verschlüsselt gespeicherten Daten erhöhen zusätzlich die Sicherheit vor Fälschung und Missbrauch, wovon die Bürgerinnen und Bürger durchaus profitieren können.
Sie sprechen auch den Einsatz der RFID-Chips im Personalausweis an. Mir ist bekannt, dass einige Datenschützer hier die Gefahr sehen, dass der Chip geknackt und die Informationen abgelesen werden. Jedoch haben unsere Experten versichert, dass ein kontaktloses Auslesen aller Daten nicht möglich sei. Wer versucht Daten vom RIFD-Chip des Personalausweises zu erhalten, benötigt hierzu im Vorfeld das Geburtsdatum, die Passnummer und das Ablaufdatum des Ausweises -- nur dann können weitere Daten wie Name und Geschlecht abgerufen werden. Der Zugang zu Daten ist also erheblich erschwert. Zudem ist es wahrscheinlich, dass jemand, der über Daten wie Geburtsdaten und Passnummer einer Person verfügt, auch deren Namen bereits kennt.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die SPD -- gegen den Widerstand der CDU/CSU-Fraktion -- durchsetzen konnte, dass der die Abgabe des Fingerabdrucks beim elektronischen Personalausweis freiwillig und somit nicht verpflichtend ist. Diese Regelung finde ich gut. So bleibt jedem selbst überlassen, ob er seinen Fingerabdruck abgeben möchte oder nicht.
Leider konnte diese Regelung für Reisepässe auf Grund von EU-Richtlinien nicht durchgesetzt werden. Laut einer europarechtlichen Verpflichtung müssen Lichtbild und Fingerabdrücke künftig im Reisepass erfasst sein. Aus sozialdemokratischer Sicht gibt es keine zwingenden sachlichen Gründe für eine obligatorische Speicherung der Fingerabdrücke. Der Personalausweis ist so fälschungssicher, dass der Fingerabdruck als zusätzliches Sicherheitsmerkmal nicht notwendig ist. Daher sind wir klar der Ansicht: Jede Bürgerin und jeder Bürger soll selbst entscheiden können, ob ihre oder seine Fingerabdrücke aufgenommen werden oder nicht. Hätten wir nämlich der Erfassung von Fingerabdrücken im Personalausweis zugestimmt, wäre der nächste logische und zu erwartende Schritt die Forderung einer zentralen Speicherung aller Fingerabdrücke gewesen -- genau das wollten wir verhindern. Zudem konnten wir erreichen, dass die Entscheidung, den Fingerabdruck im Personalausweis registrieren zu lassen, jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. Wer seine Meinung ändert, kann jederzeit einen neuen Personalausweis beantragen.
Ich bin daher der Ansicht, dass bei solchen Entscheidungen wie dem elektronischen Personalausweis - aber auch bei der Überwachung öffentlicher Plätze und ähnlichen Maßnahmen - immer ein ausgewogenes Maß zwischen Sicherheit und Freiheit gefunden werden muss. Die Freiheit ist dabei unser höchstes Gut. Sie leichtfertig aufzugeben wäre fatal. Ein Polizeistaat - wie ihn manche Konservative fordern - ist mit uns nicht zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sascha Raabe