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Sascha Bilay
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Frage von Lars G. •

Frage an Sascha Bilay von Lars G.

Hallo Herr Bilay,
in Thüringen wird sehr viel über die Notwendigkeit von kommunalen Beiträgen zur Finanzierung von Investitionsmaßnahmen diskutiert. Viele fordern die Abschaffung sogenannter Zwangsbeiträge, bspw. für den Straßenausbau. Wie beurteilen Sie einerseits die gesetzliche Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen durch die Kommunen, die die Landesregierung durchsetzen will? Wäre aber die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge andererseits nicht eine Bevorteilung der Grundstückseigentümer, die ja den Nutzen des Anschlusses an ein ausgebautes Straßennetz haben?
Vielen Dank für Ihre Antwort und viel Erfolg für Sie in den kommenden Wochen.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Geiger

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Geiger,

die Frage der Kommunalabgaben kocht in Thüringen gerade in Wahlkampfzeiten immer wieder hoch. Dies liegt insbesondere daran, dass die seit 1990 regierende CDU das veraltete System der Beitragsfinanzierung aus den alten Bundesländern übernommen hat, ohne auf die Verhältnisse in Thüringen Rücksicht zu nehmen. Dieter Althaus versteht sich darauf, die Menschen über Jahre hinweg die unsozialen Beiträge zahlen zu lassen, um so die Bürgerproteste anzuheizen. Kurz vor der Wahl erklärt er dann, dass diese Politik dringend geändert werden müsse * freilich aber erst nach der Wahl. Nur auf die Art und Weise konnte er vor fünf Jahren die absolute Mehrheit retten. Damals ging es vorwiegend und Wasser- und Abwasserbeiträge. Dieses Mal stehen erneut die Abwasserbeiträge und zusätzlich die Straßenausbaubeiträge im Mittelpunkt.
Bei den so genannten Zwangsbeiträgen hat es die CDU bisher immer verstanden, als Landespolitik Vorgaben zu machen, die dann durch die Kommunen bzw. die kommunalen Zweckverbände umzusetzen waren. Somit wurde also den Kommunen der sprichwörtliche *schwarze Peter" zugeschoben und Dieter Althaus kann sich erneut hinstellen und so tun, als hätte er nichts damit zu tun. Bedauerlicher Weise protestieren die Bürgermeister und Gemeinderäte nicht gegen diese Spaltungspolitik! Fest steht aber, dass in keinem anderen Bundesland die Bürgerproteste gegen die Beiträge, die es außerhalb der Bundesrepublik gar nicht gibt, ähnlich massiv sind, wie in Thüringen. Gerade in dem Land, in dem die Einkommen am geringsten sind, müssen die Bürger besonders hohe Kommunalabgaben verkraften.
DIE LINKE fordert schon seit Jahren, dass nach den Wasserbeiträgen auch die Beiträge für Abwasser und den kommunalen Straßenbau abgeschafft werden. Baden-Württemberg hat die Straßenausbaubeiträge bereits vor über zehn Jahren abgeschafft, ohne dass dies zum Verfall der Straßensubstanz geführt hätte. Anders ausgedrückt: im Armenhaus von Deutschland müssen die Bürger weiterhin für kommunale Straßen blechen und im wohlhabenden Südwesten dürfen die Bürger auf ausschließlich steuerfinanzierten Straßen fahren. Einen anderen Weg ging Sachsen, wo die Rechtssprechung entschied, dass die Gemeinden selbst entscheiden können, ob und in welcher Höhe Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Einzelne Gemeinden haben zwischenzeitlich sogar die früheren Straßenausbaubeiträge an die Grundstückseigentümer (teilweise) zurückgezahlt. Eine solche Lösung hat DIE LINKE schon vor Jahren gefordert. Mehrere Gesetzinitiativen mit einem solchen Inhalt scheiterten im Landtag am bornierten Widerstand der CDU. Die Landesregierung warf den LINKEN sogar vor, gegen die Verfassung zu verstoßen. Nun hat neulich der Innenminister angekündigt, die Sächsische Regelung einführen zu wollen * allerdings erst nach der Landtagwahl, damit die CDU wieder gewählt werden sollte. Erst lässt man also die Leute bezahlen und erklärt alle, die eine bürgerfreundliche Lösung wollen, zu Verfassungsfeinden und bleibt selbst nur bei Absichtserklärungen. Diese Politik bezeichne ich als verlogen!
Im Übrigen stimmen die Begründungen der Beitragsfinanzierung schon längst nicht mehr. Früher, als die Beiträge eingeführt wurden (das war in Preußen zu Beginn der 19. Jh.!!!), war es tatsächlich so, dass die Grundstückseigentümer einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil hatten, wenn eine Straße gebaut oder eine Wasser-/Abwasserleitung gelegt wurde. Das ist heute aber nicht mehr der Fall, denn im Grunde liegen alle Grundstücke an einer Straße und die Leitungen sind auch schon Gewohnheit! Deshalb ist die Forderung berechtigt, dass die wassergebundenen Leitungen nach der tatsächlichen Inanspruchnahme (also über Gebühren) und die Straßen über Steuern (weil sie von allen genutzt werden) finanziert werden. Bei den Leitungen ist klar, dass sie nur dort genutzt werden können, wo es einen Wasserhahn bzw. einen Kanalisationsanschluss auf dem Grundstück gibt. Da kann über Zähler die Nutzung einfach abgelesen werden. Aber bei Straßen, die nur als System funktionieren, ist diese grundstücksbezogene Zuordnung nicht m?glich. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, dass Bundes-, Landes- und Kreisstraßen durch die Allgemeinheit über Steuern finanziert werden und ausschließlich für die Gemeindestraßen der Grundstückseigentümer zur Rechenschaft gezogen wird. Abschließend sei noch auf einen Umstand hingewiesen, der leider oft zu hören ist: von einer Abschaffung der Beiträge würden die Grundstückseigentümer in Form der Vermieter entlastet und die Mieter belastet. Dass dies nicht so ist, hat Übrigens die Abschaffung der Wasserbeiträge 2005 bestätigt. Es sind die Wassergebühren eben nicht wie vorher von den Skeptikern prophezeit enorm gestiegen. Ganz im Gegenteil: weil die Zweckverbünde gezwungen waren, ihre Kalkulationen und Investitionen neu durchzurechnen, konnten enorme Einsparpotentiale aufgedeckt und zum Vorteil aller Gebührenzahlen genutzt werden. Die Wassergebühren sind also in Teilen sogar gesunken! Außerdem ist es doch unseriös und schlichtweg falsch, zu behaupten, die Mieter würden dann belastet und die Vermieter entlastet, weil bisher nur die Vermieter die Beiträge zahlen würden. Wer sich etwas mit der Materie auskennt, weiß, dass ein Vermieter grundsätzlich alle Kosten in den Mietpreis einkalkuliert und somit die Mieter anteilig schon heute immer mit zur Kasse gebeten werden. Sie kriegen es nur nicht mit.
Nein, DIE LINKE bleibt dabei, dass Beiträge unmodern und unsozial sind und endlich der Vergangenheit angehören müssen!

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Sascha Bilay