Frage an Sascha Bilay von Maik K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Bilay,
wie beurteilen Sie die wirtschaftliche und soziokulturelle Entwicklung des Freistaates Thüringen in den nächsten 20 Jahren im Bezug auf die dramatische Abwanderung junger und qualifierter Menschen, wo doch vermehrt von Fachkräftemangel gesprochen wird. Gibt es sinnvolle Möglichkeiten diese Tendenz umzukehren und wie können junge Menschen motiviert werden in Thüringen zu bleiben bzw. zurückzukehren?
Sehr geehrter Herr Kersevan,
der Blick auf Thüringen für die kommenden 20 bis 25 Jahre und darüber hinaus ist gegenwärtig wahrlich nicht berauschend. Einige namhafte Wissenschaftler haben, ausgehend von den heute bekannten Daten, mal hochgerechnet, wie viele Menschen im Jahre 2020 in Thüringen leben werden und welche Folgen dies für die unterschiedlichsten Bereiche haben wird. Genau zu diesem Thema hatte es eine Enquetekommission im Landtag gegeben, in der ich mitgearbeitet habe. Die Kommission hat einen Bericht veröffentlicht, der unter http://www.landtag.thueringen.de/tlt/parlamentundgremien/gremien/enquete/index.asp für jedermann einsehbar ist und herunter geladen werden kann. Zumindest was den Analyseteil betrifft, kann dieser Bericht als Lektüre empfohlen werden.
Die (politischen) Geister scheiden sich allerdings in der Bewertung der Fakten und den daraus resultierenden Empfehlungen an die Landespolitik. Während die CDU alle so belassen möchte, wie es ist, fordert DIE LINKE einen grundsätzlichen Politikwechsel für Thüringen.
Das Kernproblem, wie Sie es in der Frage bereits angesprochen haben, ist die demographische Entwicklung. Genauer gesagt, ist das Problem, dass die Menschen in Scharen das Land verlassen. Seit Dieter Althaus das Land regiert, ist die Abwanderung ungebrochen hoch; höher war die Flucht nur zur Wende 1989/90 und in den unmittelbaren Nachfolgejahren bis 1992. Heute suchen täglich 120 Menschen aus Thüringen ihr persönliches Glück in anderen Bundesländern oder im Ausland. Das sind einfach ausgedrückt 45.000 Menschen pro Jahr. Seit dem Amtsantritt von Dieter Althaus haben somit mehr Menschen dieses Land verlassen, als die Landeshauptstadt Einwohner hat! Die Ursachen der ungebremsten Abwanderung sind die zu geringen Löhne, zu wenige Arbeitsplätze und insgesamt eine fehlende Perspektive für insbesondere gut ausgebildete junge Frauen. Damit geht uns ein enormes Potential verloren.
Thüringen braucht also eine Politik, die dafür sorgt, dass die Menschen hier von dem Einkommen, das sie aus ihrer Arbeit beziehen, auch tatsächlich wieder leben können. Wir wollen einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro/Stunde. Perspektivisch muss dieser Lohn auf 10 Euro/Stunde ansteigen. Deutschland muss das bekommen, was in allen anderen europäischen Volkswirtschaften bereits Gewohnheit ist! Weiter brauchen wir zukunftsfähige Arbeitsplätze, damit die gut ausgebildeten Fachleute mit dem hier erworbenen Wissen auch hier arbeiten können. Das Problem ist doch, dass die CDU den Freistaat zum Billiglohnland in der Bundesrepublik gemacht hat. Aber die Spitzenleute wollen keine Niedrigstlöhne! Deshalb brauchen wir endlich die gezielte Ansiedlung von Unternehmen, die im Hochlohnbereich attraktive Arbeitsplätze bieten können. Dies alles muss eingerahmt werden durch eine moderne Bildungspolitik. Die Herdprämie als Kopfprämie dafür, dass Kinder zu Hause bleiben und nicht in die Kita gehen, muss abgeschafft werden. Wir brauchen Ganztagesangebote im Schulbereich und den Ausbau der Weiterbbildungs- und -qualifizierungsangebote für Erwachsene. Hierzu müssen die Mittel im Landeshaushalt umgeschichtet werden. Wenn beispielsweise die Schulmittel, die gegenwärtig pro Schulkind berechnet werden, nicht an die rückläufigen Schülerzahlen angepasst sondern auf heutigem Niveau verstetigt werden, könnte Thüringen 330 Mio. Euro mehr für Bildung ausgeben, als es die Pläne der CDU vorsehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Sascha Bilay