Frage an Sabine Kurtz von Dieter-Michael L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Kurtz,
als KMU-Unternehmer würde mich interessieren, wie Sie zu dem Problem der Zwangsmitgliedschaften bei IHK, HWK und ähnlichen Organisationen stehen.
Ihre Partei hat dazu ja leider keine einheitliche Meinung und ist, nach meinen Erfahrungen, eher Zwangskammer freundlich. Auch die momentane Landesregierung, so mußte ich verschiedenen Meldungen der Presse entnehmen, stützt das unsägliche System der Zwangsmitgliedschaften.
Ihre Parteichefin, Bundeskanzlerin Merkel, hat jedoch bei Regierungsantritt davon gesprochen, daß wieder mehr Freiheit gewagt werden soll. Darum geht es mir um Ihre ganz persönliche Meinung, nicht um wolkige Statements. Ich wäre daher froh, wenn Sie meine Frage möglichst klar und präzise beantworten würden.
Ich verhehle nicht, daß ich diese Frage - in jeweils persönlicher Formulierung - auch Ihren Kollegen gestellt habe. Denn wer meine Stimme möchte muß mir sagen, ob er gegen oder für den Kammerzwang ist.
Vielen Dank im voraus.
Freundliche Grüße
Dieter-Michael Last
Sehr geehrter Herr Last,
Da Sie Ihre Wahlentscheidung von einer einzigen Frage abhängig machen, könnte ich mir eine Antwort sparen, da sie nicht in Ihrem Sinne ausfallen wird. Ich möchte dennoch die Gelegenheit nutzen, die Argumente anzuführen, die für die Beibehaltung der Kammern als verpflichtende Organisationen sprechen.
Die Organisation der Unternehmen in den Kammern von Handwerk und Industrie und die Wahrnehmung der gemeinsamen Unternehmensinteressen durch die Kammern halte ich für ein bewährtes Instrument unserer Wirtschaftsverfassung. Da die Kammern im Auftrag des Staates hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, können die Kammern nicht mit anderen, freiwillig organisierten Interessenverbänden gleichgesetzt werden. Zum wichtigsten Bereich dieser hoheitlichen Aufgaben zählen die Organisation der außerschulischen beruflichen Bildung und die Abnahme der Prüfungen. Diese Leistungen können durch die Mitwirkung der betroffenen Unternehmen weit sachnäher erfüllt werden als es durch den Staat möglich wäre. An der Berufsausbildung sind über 200.000 ehrenamtliche Prüfer der Kammern beteiligt! Ein Verzicht auf die Pflichtmitgliedschaft würde unweigerlich zu einem massiven Qualitätsverlust des weltweit anerkannten dualen Ausbildungssystems in Deutschland führen. Eine Vergabe von Leistungen im Bereich der Beruflichen Bildung im Wettbewerb an eine Vielzahl von Unternehmensverbände ist vollkommen unrealistisch; der Staat müsste eine umfassende und Kosten treibende Vergabe- und Kontrollbürokratie aufbauen um Qualität sichern zu können – nach Auffassung der CDU-Landtagsfraktion eine völlig unnötige Doppelstrukturen.
Die Kammern sind geeignete, das Gesamtinteresse der Wirtschaft gegenüber den demokratischen parlamentarischen Gremien geltend zu machen. Sie sind Berater des Staates und oft auch das einzige Sprachrohr der Wirtschaft auf kommunaler und regionaler Ebene. Sie agieren unabhängig von starken Individualinteressen und auch diese Objektivität kann nur durch eine Pflichtmitgliedschaft sichergestellt werden. Freilich bedarf es daneben auch einer staatlichen Rechtsaufsicht über die Kammern, die effizient wahrgenommen werden muss.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Gemeinwohlbindung der Kammern betont, die nicht von privaten Verbänden und Unternehmen garantiert werden könne. Falls dies in Einzelfällen doch möglich sei, würde dies deutlich mehr Bürokratie und Kosten für die Unternehmen und Steuerzahler mit sich bringen, da eine Fachaufsicht durch den Staat erforderlich wäre. Nur durch deren öffentlich-rechtlichen Status sei es möglich, dass die Kammern die hoheitlichen Aufgaben in Selbstverwaltung übernehmen können. Wir teilen diese Rechtsauffassung uneingeschränkt.
Zusätzlich gibt es noch freiwillige Zusatzleistungen der Kammern, die einzelnen Unternehmen einen direkten Nutzen stiften und ebenfalls nicht abgeschafft werden sollten, da sie von den Mitgliedern verlangt werden und damit eine Grundlage für die Akzeptanz der Kammern bilden. Mit einer kostendeckenden Finanzierung der Kammern über Einzelentgelte und der freien Entscheidung der Vollversammlung darüber, welche Leistungen erbracht werden sollen, ist es auch möglich, das Problem der Konkurrenz zu privaten Anbietern zu lösen. Die demokratisch gewählte Vollversammlung des Kammerbezirks sollte dabei die Interessen der privaten Anbieter berücksichtigen.
Hinsichtlich der Frage, ob einige Kammern bezüglich ihrer Größe in der Lage sind ihre Aufgaben zu erfüllen, sollen die Unternehmen selbst entscheiden, ob sie den Leistungskatalog, der zu erfüllen ist, in einer kleineren Kammer finanzieren wollen oder sich stattdessen lieber einer größeren Organisationseinheit anschließen wollen oder mit ihr in Kooperationsbeziehungen treten will. Wir sind der Auffassung, dass hierbei ein direkter Eingriff des Staates nicht notwendig ist, sondern das Prinzip der Subsidiarität Vorrang hat. Sofern jedoch klare Reformpotenziale für einen Bürokratieabbau in einzelnen Kammerorganisationen vorhanden sind, müssen die Kammern im Interesse der Unternehmen und der Gesamtwirtschaft des Landes für eine zügige Umsetzung sorgen.
Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Kurtz