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Sabine Böddinghaus
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Frage von Barbara U. •

Frage an Sabine Böddinghaus von Barbara U. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Boedinghaus
Was da aus Bayern abgekupfert wurde, wird juristisch gar nicht haltbar sein. Ich bin geschockt über diesen Pupolismus, mit dem man Jugendliche überfordert, um Geld zu sparen.

Bei Jugendgerichtssachen ist nicht grundlos die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Es hat auch triftige Gründe, daß für Schöffen das Mindestalter auf 25 Jahren festgelegt wurde.

Wer schult die Jugendlichen und wann?

Wo sollen diese Prozesse stattfinden? In der Schule oder im Gerichtssaal?

Wie sieht es mit der Schweigepflicht aus?

Wie sollen Jugendliche aus H/R- Schulen in der Lage sein, Beweismittel zu würdigen, wenn schon Richter Sachverständige benötigen?

Jugendliche sind mit Vollendung des 14. Lebensjahres strafmündig. Wenn man bedenkt, wie kurz die Verweildauer dann noch in der Schule ist und wie hoch die Quote der Straftäter, so stellt sich mir die Frage, ob es nicht mehr Sinn macht, derartige Fälle an die JGH zu verweisen, die dannn den Täter- Opfer- Ausgleich durchführt.

Wenn ein Staatsanwalt auf der einen Seite ist, wo bleibt der Verteidiger?

Wie alt muß ein Schüler sein, um als Richter aufzutreten?

Die Strafmündigkeit liegt bei Vollendung des 14. Lebensjahres. Sollen strafunmündige Schüler richten? Es ist komplett unlogisch, wenn einerseits Minderjährige für Rechtsgeschäfte, die die höhe des Taschengeldes überschreiten und auch für andere wichtigen Entscheidungen einen gesetzlichen Vertreter benötigen und andererseits über Gleichaltrige richten können.

Es gab mal ein Projekt, wo Jugendliche als „Streitschlichter" ausgebildet wurden. Davon hört man auch nichts mehr.

Aus meiner Sicht versucht man die Verantwortung für Jugendliche auf Jugendliche zu verlagern.
Erwachsene haben die Verantwortung für ihre Kinder. Es ist billig, sich aus der Verantwortung zu schleichen und billigend in Kauf zu nehmen, daß geltendes Recht unterlaufen wird.

Wer schützt diese Jugendlichen vor Jugendgewalt und vor der Überforderung?

Wir als Erwachsene müssen mehr Mitverantwortung übernehmen und nicht weggucken, sondern bereit sein, Grenzen zu setzen, die der Orientierung dienen und sie nicht ausgrenzen.
Erwachsene sollten Jugendlichen helfen, Fehlverhalten zu erkennen und wieder in Ordnung zu bringen.
Statt diesen Unfug zu finanzieren, wäre es sinnvoller, wenn man eine KINDER- u. Jugendgerichtshilfe einrichtet, schließlich sind Kinder schon mit Vollendung des 7. Lebensjahres deliktfähig, können also zivilrechtlich haftbar gemacht werden und sind dann schutzlos, wenn Eltern ahnungslos sind oder in der Erziehung versagt haben.

Wie stehen Sie zum Projekt?

B. Uduwerella

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Liebe/r Frau/Herr U. Uduwerella,

als Ergänzung, nicht aber als Ersetzung jugendgerichtlicher Verfahren halte ich ein solches Projekt durchaus für sinnvoll.

Ähnlich dem in Hamburg schon sehr verbreiteten und erfolgreich praktizierten Streitschlichter-Programm kann die direkte Konfrontation mit Gleichaltrigen wirkungsvoller für den jungen Täter sein, als für sie eher abstrakte Gewissensapelle von Jugendrichtern.

Erfahrungen aus Bayern zeigen auch, dass die jugendlichen "Richter" gnadenloser "urteilen", als ihre erwachsenen "Kollegenprofis", was eine höhere Abschreckungsquote zur Folge hat!

Dennoch können Schülerinnen und Schüler keine Urteile verhängen- das können aus gutem Grunde nach unserer Rechtsordnung nur die ordentlichen Gerichte. Jugendliche "Richter" können vielmehr erzieherische Maßnahmen oder eine Form einer Wiedergutmachung vorschlagen. Kommt der Beschuldigte dieser Empfehlung nach, wird dies von der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu seinen Gunsten berücksichtigt. So kann der Staatsanwalt das Verfahren nach §45 Absatz 2 Jugendgerichtsgesetz schließlich einstellen, wenn eine erzieherische Maßnahme durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält.

Mehr als das erlaubt der Rechtsstaat aber nicht!

Darüberhinaus ist ein solcher Prozess nur möglich, wenn der Betreffende, der sich etwas zu Schulden hat kommen lassen, und seine Eltern damit einverstanden sind.

Ohne Freiwilligkeit wird dieses Projekt weder rechtlich noch tatsächlich funktionieren.

Desweiteren muss ein solches Projekt professionell begleitet und wissenschaftlich evaluiert werden, um nicht den Verdacht einer reinen Showveranstaltung mit Kürzungsabichten durch die Hintertür aufkommen zu lassen!

Ich bin mir aber sicher, wenn solche Projekte kontinuierlicher Bestandteil einer konsequenten Präventionspoiltik an den Schulen und in Jugendeinrichtingen würden, hätten wir einen großen Schritt zur Verhinderung so vieler jungendlicher krimineller Karrieren getan. Allerdings muss auch hier in qualifizierte Fachkräfte investiert und die unterschiedlichen Programme wirkungsvoller gebündelt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Sabine Boeddinghaus

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