Bis wann muss Deutschland Klimaneutral sein damit das 1,5 Grad Ziel aus dem Pariser abkommen eingehalten werden kann?
Sehr geehrter Frau B.,
Bis wann muss Deutschland Klimaneutra sein damit das 1,5 Grad Ziel aus dem Pariser abkommen eingehalten werden kann? Oder welche Maßnahmen müssen ergriffen werden damit das 1,5 Grad Ziel erreicht werden kann?
Eine Antwort würde uns sehr helfen da es sich um eine Klimaprojekt handelt wobei wir auch Politiker und Politik miteinbeziehen wollen.
Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.
Liebe Frau W.,
zuerst herzlichen Dank für Ihre Frage und viel Erfolg bei Ihrem Klimaprojekt. Abgeordnetenwatch ist für die Länge der eigentlich notwendigen Antwort nicht das optimale Medium, von daher möchte ich vorab schon auf zwei Quellen unserer Partei verweisen. Zum einen unser "Aktionsplan Klimagerechtigkeit" und zum anderen unser Bundestagswahlprogramm.
Wir sagen, dass die Klimaneutralität bis 2035 erreicht werden muss. Das ist aber eine Herleitung aus dem zur Verfügung stehenden CO2-Restbudget, das noch emittiert werden darf, um die Klimaziele nicht zu verfehlen. Das CO2-Restbudget ist bei der Bewertung, wann die Bundesrepublik klimaneutral sein muss, eine verlässlichere Größe.
Wir setzen uns dafür ein, dass alle Maßnahmen, zu denen ich gleich etwas schreibe, sozial gerecht ausgestaltet werden müssen. Der Anteil der Menschen in Deutschland, der schon heute mit dem Geld nicht oder nur schwer über die Runden kommt, verpflichtet uns dazu, diese Menschen nicht auch noch für die Klimamaßnahmen zahlen zu lassen. Hinzu kommt, dass deren CO2-Fußabdruck deutlich geringer ist, als der der wohlhabenden oder reichen Menschen. Deshalb heißt für uns der Einsatz für das Erreichen der Klimaziele auch der Einsatz für Klimagerechtigkeit. Die ökologische Nachhaltigkeitssäule darf nicht von der sozialen Nachhaltigkeit abgekoppelt werden. Wir müssen alle Menschen auf dem Weg zur Klimaneutralität mitnehmen.
Zu konkreten Schritten, die ich hier aber (mit Verweis auf die beiden erwähnten Dokumente) nur grob aufführen kann, möchte ich besonders folgende Punkte herausheben: Wir wollen den Kohleausstieg bis 2030 und ein Gasausstiegsgesetz, mit dem jetzt schon der Ausstieg aus der Nutzung fossilen Erdgases geregelt wird. Erdgas als Brückentechnologie halten wir für einen verhängnisvollen Fehler, da neue Erdgasnutzungen noch auf Jahrzehnte laufen werden. Hinzu kommt, dass Erdgas auch mit dem sog. Fracking gewonnen wird, bei dem sehr hohe Mengen Treibhausgase freigesetzt werden, besonders in den USA. Gerade die USA aber wollen dieses Erdgas als LNG (Liquified Natural Gas) verstärkt exportieren.
In der Praxis stehen im Moment verschiedene ganz konkrete zentrale Projekte auf der Tagesordnung. Das ist die Energiewende an sich: der vehemente Ausbau der Produktion Erneuerbarer Energie, vor allem mit Photovoltaik, Solarthermie und Windenergie (nur als Hauptbestandteile aufgeführt), die Schaffung von Speichermöglichkeiten für die gewonnene Erneuerbare Energie, da diese nicht rund um die Uhr in gleichem Umfang zur Verfügung steht. Dazu muss auch eine Flexibilisierung der Energienutzung ermöglicht werden, um Spitzenlasten besser zu verteilen. Diese smarte Technologie ist zwar schon in einige Projekten realisiert und ermöglicht eine sichere Energieversorgung, muss aber natürlich in der Breite angewendet werden. Ein weiteres Standbein der Energiewende muss unbedingt die Reduzierung des Energieverbrauchs sein. Der größte Bereich ist hier die energetische Sanierung der Gebäude. Die Sanierungsquote muss, auch in Hamburg, mindestens verdreifacht werden, um die Klimaneutralität halbwegs zeitgerecht zu erreichen. Dabei dürfen die Sanierungskosten nicht auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Eine energetische Gebäudesanierung muss warmmietenneutral ausfallen (die Summe aus der Kaltmiete und den Energienebenkosten darf sich nicht erhöhen).
Ein anderer Punkt ist die Wärmewende. Die Wärmeversorgung der Gebäude hängt derzeit noch zu großen Teilen von Kohle und Erdgas ab. Wir fordern den Ausstieg aus der Wärmeanlagen, die mit Öl oder Gas betrieben werden. Stattdessen soll im Normalfall die Wärmeversorgung mit Wärmepumpen, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden, oder mit Fernwärme, die ebenfalls klimaneutral erzeugt wird, stattfinden. Grundsätzlich setzen wir uns dafür ein, dass, überall da wo es möglich ist, Energie zukünftig aus erneuerbarem Strom genutzt wird. Da wo dies nicht möglich ist, wollen wir grünen Wasserstoff einsetzen. Das betrifft in erster Linie die Industrie. Da der Bedarf an grünem Wasserstoff sehr hoch sein wird, wollen wir verantwortungsvoll damit umgehen, denn schon bei der Produktion grünen Wasserstoffs aus erneuerbarem Strom entsteht ein hoher Energieverlust. Dieser grüne Wasserstoff soll wirklich nur dort Anwendung finden, wo es keine technischen Alternativen gibt. D. h. auch, dass die Wasserstoffnutzung für Fahrzeuge oder für die Wärmeversorgung von uns abgelehnt wird.
Im Gegensatz zu anderen Parteien sind wir sehr skeptisch, was die Steuerung der Energiewende über den Preis/den Markt angeht. Die CO2-Bepreisung beinhaltet in ihrem Kern bereits eine soziale Ungerechtigkeit, bei der sich der wohlhabende Teil der Gesellschaft weiterhin alles wird leisten können, während der Teil der Gesellschaft ohne das nötige Einkommen, sich einschränken muss. Zu einer Akzeptanz der Energiewende trägt das nicht bei. Deshalb setzen wir auf gesetzliche Regelungen und eine gesetzliche Begrenzung der CO2-Emissionen. Eine solche Regel trifft alle gleich. Angesichts der steigenden Energiepreise kann man deutlich sehen, dass alle Reparaturen an der sozialen Schieflage nur Flickwerk sind. Die einmalige Heizkostenzuschüsse sind nicht für alle, die es bräuchten, da und reichen angesichts der Preissteigerungen auch gar nicht aus. Die im Bundestagswahlkampf beschworene Klimadividende ist noch nicht in Sicht und wäre auch nur eine notdürftige Reparaturmaßnahme. Deshalb wollen wir weg von der Energiewende über den Markt - grüner Kapitalismus kann keine sozial gerechte Lösung sein.
Die Vielzahl der notwendigen Umstellungen, hin zur Klimaneutralität, erfordert viele Umbrüche - diese müssen sozial gerecht gestaltet werden. Wir treten für eine sozial-ökologische Transformation ein mit staatlichen Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen, der klimaneutralen Umstellung der Industrie. Das kann nur unter Einbeziehung der Gewerkschaften geschehen, um auch den Beschäftigten bei diesen Umbrüchen ihre Ängste zu nehmen.
Ein weiterer Punkt ist die Verkehrswende und ein massiver Ausbau des Öffentlichen Personennah- (und- fern)- Verkehrs und die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. E-Mobilität ist hier nur die zweitbeste Lösung. Der ganze Bereich der Verkehrswende wäre aber ein weiterer langer Punkt, zu dem ich gerne per Mail weitere Ausführungen beitragen kann.
Und um einen anderen Teil zur Erreichung der Klimaziele nicht zu vergessen: die Agrarwende ist, weniger in Hamburg, aber bundesweit ein großer Brocken, der bewältigt werden muss. Fleischproduktion und Massentierhaltung führen zu einer erheblichen Belastung des Klimas und müssen im Rahmen einer Agrarwende unbedingt zurückgedrängt werden. Auch hier kann ich, wenn gewünscht, gerne noch ausführlicher Stellung beziehen.
Und um zu zeigen wie vielfältig das Thema noch ist: Luftverkehr, Ernährungsstrategie, Flächenversiegelung wären noch weitere Punkte, die im Rahmen der Erreichung der Klimaziele durchaus längere Antworten verdienen würden.