Frage an Rudolf Henke von Claus M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. med. Henke,
wie Sie wissen, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Bundestag über das „Freihandelsabkommen" TTIP zwischen der EU und den USA abstimmen muss.
Analog muss der kommende Bundestag also auch über die derzeit in Brüssel verhandelten Abkommen JEFTA (mit Japan), CETA (mit Kanada) und dem jetzt zusätzlich geplanten mit Australien abstimmen.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es in diesen Abkommen keine sogenannten privaten Schiedsgerichte geben wird, mit deren Hilfe sich Konzerne über die demokratisch beschlossenen Gesetze zum Schutz von Gesundheit, Verbraucherinteressen und Umwelt mit Klagen gegen die EU-Mitgliedstaaten durchsetzen könnten, etwa das Verbot von Fracking (auch in Aachen, wo die "Claims" der Konzerne schon abgesteckt sind)?
Ich bitte um Beantwortung meiner Fragen bis zum 24. September 2017!
Mit freundlichen Grüßen,
C. M. (Aachen)
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15. September zum Thema Freihandelsabkommen. Gerne nehme ich dazu Stellung:
Seit geraumer Zeit wird sehr kontrovers über die Freihandelsabkommen mit den USA, Kanada und auch Japan diskutiert. Ich begrüße es sehr, dass auch die Öffentlichkeit intensiv an dieser Diskussion teilnimmt. Dennoch ist es ebenso wichtig, dass diese Diskussion anhand von stichhaltigen Argumenten geführt und nicht durch vorgefasste Meinungen beeinflusst wird. Das Prinzip der Freihandelsabkommen birgt viele Chancen für die auf Export basierende deutsche Wirtschaft, dennoch sind auch einige Risiken vorhanden, welche nicht außer Betracht gelassen werden können.
Grundsätzlich sind Freihandelsabkommen besonders für die deutsche Wirtschaft sehr von Vorteil und damit ein Beitrag zur Sicherung bestehender und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die positiven Effekte auf Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und das reale Einkommen der Bürgerinnen und Bürger wurden in einer Vielzahl von Studien analysiert. Solche Abkommen können ein wichtiger Beitrag sein, um Wohlstand sowie sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in Europa, Kanada, Japan und den USA nachhaltig zu sichern. Japan ist einer der wichtigsten Handelspartner für die Bundesrepublik und die Europäische Union, auch deshalb begrüße ich einen Ausbau der Beziehungen.
Anders als die von Donald Trump angestrebte „America First“-Politik des Protektionismus und Nationalismus sehe ich unsere Zukunft weiterhin in der Weltoffenheit und direkten Beziehungen mit Partnern – dazu gehört auch die Wirtschaftspolitik. Von einer engen Partnerschaft und guter Zusammenarbeit profitiert nicht nur die deutsche Wirtschaft, sie sorgen auch für ein friedliches und partnerschaftliches Miteinander.
Es kann kein Zweifel daran geben, dass unsere Standards bei der Zusammenarbeit mit Ländern nicht aufgegeben werden dürfen. So muss unter anderem die Einhaltung der Menschenrechte, ein fairer Handel sowie der Verbraucherschutz weiterhin garantiert werden. Eine Absenkung von Schutzstandards durch Freihandelsabkommen, etwa in den Bereichen des Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutzes soll nicht erfolgen. Bei den Verhandlungen stehen Schutzvorschriften für die öffentliche Daseinsvorsorge, audiovisuelle Dienstleistungen, Verbraucher- und Umweltschutz sowie sogenannte Arbeitsmarktklauseln, die hier geltende Standards absenken würden, nicht zur Disposition.
Transparenz gegenüber der Bevölkerung ist wichtig. Internationale Vertragsverhandlungen sind aber in der Regel nicht öffentlich, um die eigene Verhandlungsposition nicht zu schwächen. Für die bisherigen TTIP-Verhandlungen gibt es ein Maß an Transparenz, wie es bei keinem der zahlreichen EU-Handelsabkommen in der Vergangenheit jemals entwickelt worden ist. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Sie wirkt darauf hin, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Vor allem aber tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle gewährleistet.
Bezüglich der von Ihnen angesprochenen Schiedsgerichte bleibt erst einmal festzuhalten, dass das Schiedsverfahren ein auf internationaler und nationaler Ebene etabliertes Verfahren darstellt, um Streitigkeiten beizulegen. Sie sind Bestandteil vieler bilateraler bzw. multilateraler Handelsabkommen. Gerade bei grenzüberschreitenden rechtlichen Auseinandersetzungen haben sich diese Verfahren oftmals bewährt. In den zahlreichen Abkommen, an denen Deutschland beteiligt ist, haben Schiedsgerichte auch für deutsche Unternehmen in der Vergangenheit eine bedeutsame Rolle gespielt. Deshalb kann ich die generelle Verurteilung von Schiedsgerichten, wie sie in der öffentlichen Debatte vorherrscht, nicht nachvollziehen.
Die Rolle der Schiedsgerichte muss stets genau definiert werden. Die geltenden Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, dürfen nicht unterwandert werden. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge zu schützen.
Das deutsche Verfassungsrecht bietet für ausländische Investoren bereits heute einen starken Schutz. Der im Grundgesetz verankerte gesetzgeberische Spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen (z.B. nationale Sicherheit, Umwelt, Gesundheit etc.) darf nicht tangiert werden.
Insgesamt lässt sich sagen: Freihandelsabkommen: Ja, aber unter fairen Bedingungen für den Verbraucher, die Beschäftigten, die Umwelt und alle Beteiligten.
Dafür setze ich mich weiterhin ein.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke MdB