Frage an Ronja Kemmer von Wolfgang B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrte Frau Kemmer,
Ich verweise auf den Artikel in der SZ vom 6. 4. 2020 auf Seite 7: Wir können Italien nicht hängen lassen. Auch ich bin der Meinung, in der jetzigen Krise sollte Deutschland nach dem Vorschlag von Herrn Hans-Werner Sinn Italien finanziell deutlich unter die arme greifen, als Hilfsprogramm für Italiens überfordertes Gesundheitssystem. Können Sie diesen Vorschlag unterstützen und in der Fraktion überdenken?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dr. Wolfgang Braungart
Sehr geehrter Herr Dr. Braungart,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.
Sie sprechen an, dass wir Italien in der aktuellen Krise nicht im Stich lassen dürfen. Hier stimme ich Ihnen absolut zu.
Als stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Parlamentariergruppe des Bundestags habe ich die Ereignisse in Italien seit den ersten gemeldeten Infektionen sehr genau und mit großer Sorge verfolgt. Ich habe bereits einen Teil meines Studiums in Italien verbracht und schon seit diesen Zeiten eine sehr enge Beziehung zu dem Land entwickelt. Durch meine parlamentarische Arbeit hat sich ein enges Netz an Kontakten nach Italien aufgebaut. Seit Ausbruch der Corona-Krise stehe ich im regelmäßigen Austausch mit Menschen dort. Die in den Gesprächen zu hörende Verzweiflung, die sich bei Ärzten und Politik breit gemacht hat, hat mich persönlich sehr erschüttert. Ich habe darum auch verschiedene Initiativen gestartet, unter anderem zur Aufnahme von Corona-Patienten aus Italien in Deutschland, um unseren Freunden dort zu helfen, die Belastungen für das Gesundheitssystem besser bewältigen zu können.
Bei dem Vorschlag von Prof. Sinn, den Sie erwähnen, geht es um eine direktes Hilfsprogramm ohne Rückzahlung von Deutschland für das italienische Gesundheitssystem. Italiens Gesundheitssystem ist durch die schnelle Verbreitung der Infektion sehr stark belastet, aktuell werden etwa 13.000 Patienten in den Krankenhäusern stationär wegen Corona behandelt. Was die Ärzte und Pfleger dort seit Wochen leisten, ist übermenschlich. Unter einer solchen physischen und psychischen Belastung bei Einsatz der eigenen Gesundheit für das Leben anderer zu kämpfen, bewundere ich zutiefst. Diese Menschen sind echte Helden.
Sobald die Corona-Krise in Italien hoffentlich möglichst bald abklingen wird, bleibt eine große finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem zurück. Darum müssen wir überlegen, wie wir von deutscher Seite einen Beitrag leisten können, das halte ich vom Grundsatz für richtig. Welcher Weg hierfür der Beste ist, muss genau geprüft werden. Denn gleichzeitig wird es in Italien, wie überall, notwendig sein, eine Bestandsaufnahme zu machen, welche Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen sind, gerade mit Blick auf die Finanzierung des Gesundheitssystems aus dem Staatshaushalt und die in vielen Bereichen stark zentral angelegten Strukturen. Und man wird auch evaluieren müssen, wie der verhältnismäßig doch recht geringe Anstieg bei den Gesundheitsausgaben in den letzten zehn Jahren gegenüber dem vergleichsweise sehr starken Anstieg bei bestimmten anderen Posten im Staatshaushalt, wie zum Beispiel bei den Rentenzahlungen, zu bewerten sein wird. Das muss aber alles in Italien passieren. Von deutscher Seite können wir dabei partnerschaftlich mit Rat und Hilfe zur Seite stehen.
Es wird jetzt auch Hilfen von der EU in großem Rahmen geben, von denen Italien in der aktuellen Situation profitieren kann. Wir wollen ein Hilfspaket mit einem Gesamtvolumen von bis zu 540 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Beim ESM, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, werden wir eine vorsorgliche Kreditlinie für Staaten einrichten, die mit der Bewältigung der Krise finanziell überfordert sind. Jeder EU-Staat kann damit bis zu zwei Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung aus dieser sogenannten ECCL, der Enhanced conditions credit line, beantragen. Das zweite Element soll darin bestehen, dass die EU-Kommission den EU-Staaten Kredite anbietet, um bei der Finanzierung der stark ansteigenden Kosten für Kurzarbeitergeld zu helfen. Hierfür will die Kommission bis zu 100 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufnehmen, wobei für ein Viertel dieser Summe die EU-Staaten bürgen sollen. Zudem soll die Europäische Investitionsbank eine Garantie für Unternehmenskredite abgeben. Was wir als CDU/CSU auch weiterhin für falsch halten sind Euro-Bonds.
In schwierigen Zeiten muss die EU zusammenstehen und es braucht gegenseitige Hilfen. Mit dem großen Hilfspaket über die EU wollen wir den Gedanken der europäischen Solidarität stärken und besonders belasteten Staaten wie Italien helfen, die Krise zu meistern. Dies muss mit Vernunft und Weitsicht geschehen. Dafür setzen wir uns CDU/CSU ein.
Mit freundlichen Grüßen
Ronja Kemmer