Frage an Roman Reusch von Kira W. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Reusch,
im Februar diesen Jahres brachte die AfD einen Gesetzesentwurf ein, der die Einführung der Direkten Demokratie auf Bundesebene fordert. Die damit verbundenen Erwartungen sind eine erhöhte Partizipation der Bevölkerung und vertiefte Informations- und Diskussionsprozesse.
Mir stellt sich die Frage wie Bürger und Bürgerinnen in die Lage versetzt werden sollen, sich über einzelne Gesetzesentwürfe auf Bundesebene und bereits bestehende Regelungen informieren zu können. Die niedrige Wahlbeteiligung bei Bürgerentscheiden zeigt, dass selbst diese Probleme, die die Menschen mehr oder weniger direkt betreffen, nicht wichtig genug erscheinen, um sich intensiver damit zu befassen und eine Meinung zu bilden. Wie möchte die AfD die Meinungsbildung fördern? Auch könnte eine direkte Demokratie auf Bundesebene zu wöchentlichen Abstimmungen führen. Wie möchten Sie diesen Umstand beschränken?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Kira Wettengel
Sehr geehrte Frau W.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Tatsächlich stellt die Frage der Informiertheit der entscheidenden Bürger einen wunden Punkt übrigens einer jeden Form von demokratischer Willensbildung dar, weil auch die klassische Wahlentscheidung in repräsentativen Demokratien an sich einen Wissensstand voraussetzt, über den nur wenige Bürger verfügen dürften. Dies kann aber jedenfalls dann kein Gegenargument gegen die Volksbeteiligung sein, wenn zumindest die Möglichkeit umfassender Information besteht, was derzeit der Fall ist. Tatsächlich hat der Bürger durch die Möglichkeiten des Internets eher mit einem Überangebot an Informationen zu kämpfen als mit einem Mangel. Ob er diese Möglichkeiten allerdings nutzt, bleibt jedem selbst überlassen.
Was die von Ihnen angesprochene geringe Beteiligung an Bürgerentscheiden angeht, so gehört zum Wahl- bzw. Stimmrecht auch die Möglichkeit, sich der Stimme zu enthalten, was auch durch schlichte Nichtbeteiligung erfolgen kann. Wer dies tut, muss dann aber auch damit leben, dass andere für ihn mitentschieden haben. Das Phänomen unterschiedlich starker Beteiligung an Abstimmungen ist auch in der Schweiz bekannt, ohne bisher ernsthaft als Argument zur Abschaffung der direkten Demokratie ins Feld geführt worden zu sein. Eine Förderung der Meinungsbildung wäre idealerweise im Vorfeld der Abhaltung von Volksbegehren und -abstimmungen durch Zusendung aussagekräftiger Unterlagen zum Abstimmungsgegenstand an alle Stimmberechtigten zu erreichen.
Ihre Befürchtung, es könne wöchentlich zu Volksabstimmungen kommen, teile ich nicht. Nach unserem Entwirf würden obligatorische Volksabstimmungen in vier definierten Fällen abzuhalten sein und fakultative Volksabstimmungen sowie erfolgreiche Volksbegehren setzen die Zustimmung von 1 Million Abstimmungsberechtigter voraus, vgl. Art. 75 n.F. GG. Wegen der Einzelheiten nehme ich auf unseren Gesetzentwurf Bezug (https://dserver.bundestag.de/btd/19/269/1926906.pdf).
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Antworten gedient zu haben.
LOStA a.D. Roman Reusch, MdB