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Frage von Melanie S. •

Frage an Rolf Meier von Melanie S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Meier,

wie ist Ihre Meinung dazu, dass sich in Berlin ein großer Teil der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Behindertenhilfe in Freier Trägerschaft befindet?

Vielen Dank für eine Antwort.

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Antwort von
DKP

Sehr geehrte Frau Stoppel,

Ich denke, dass in der Berliner Sozialpolitik gravierende Fehler gemacht werden. Und die haben Methode!
Schrittweise sind in den letzten Jahren ganze Sektoren der sozialen Arbeit in Berlin aus öffentlicher Trägerschaft ausgegliedert bzw. von Anfang an nur an Private übertragen worden. In diesen Bereichen arbeiten zwei Drittel der Beschäftigten in Teilzeit. Bis Ende der neunziger Jahre wurden diese in Anlehnung an BAT entlohnt. Von jeglichem Flächentarif sind alle längst abgekoppelt. Die Tarifflucht des Landes Berlin hat diese Entwicklung wesentlich verursacht. In jedem Betrieb müssen Gewerkschafter und Betriebsräte um einen akzeptablen Haustarif kämpfen. Doch selbst die vorhandenen Betriebsräte, soweit sie nicht auf Co-Management setzen, sind bei einigen Trägern massiven Repressionen ausgesetzt. Das Niveau der Gehälter ist auch bei Beschäftigten mit Studienabschluß oft in einem Bereich, der die Aufstockung durch „Hartz IV“ erfordert. Fachkräfte werden so zunehmend aus Berlin verdrängt. Das Berliner Sozialdumping unter SPD/PdL-Ägide unterbietet die meisten anderen Bundesländer. Ein erheblicher Anteil von Normalarbeitsverhältnissen wurde bereits in nicht-sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse wie Minijobs, ABM, MAE und ÖBS umgewandelt, zu denen auch erfahrene Fachkräfte zwangsverpflichtet werden. Ungeschützte Beschäftigungen, d.h. befristete Verträge oder Honorarverträge nehmen zu. Die Arbeitsbelastung in den Bereichen nimmt immer weiter zu durch neue und komplexere Aufgaben und höhere Fallzahlen. Fort- und Weiterbildung wird von den Trägern selten finanziert. Qualität in der erbrachten Leistung kann so nicht gehalten werden und hat auch keine Priorität. Die Prekarisierung der Beschäftigten freier Träger in Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe und psychiatrischer Hilfe ist ein Thema, das Viele betrifft, aber selten problematisiert wird.
Viele freien Träger halten Gelder für Rücklagen zurück oder verschleiern den Erhalt gänzlich. Einige Geschäftsführer protzen geradezu mit ihrem Reichtum. Alles nur ein paar schwarze Schafe?
Die Politik zieht sich aus der Verantwortung, man beruft sich auf realpolitische Erfordernisse, die Rede ist dann von „unter schwierigen Haushaltsbedingungen gestalten“. Mehr Geld soll es nicht geben und die nächste Tarifrunde müsse man abwarten (bzw. aussitzen, R.M.).
Der SPD/PdL-Senat verfolgt eine Strategie der so genannten Entstaatlichung. Aufgaben, die nicht als staatliche Kernaufgaben bezeichnet werden, wurden ausgegliedert. Abgerechnet wird mit den freien Trägern über Pauschalen. Damit ist das Land die fixen (Personal-)Kosten los und der Träger verdient sich dumm und dämlich, wenn er seine Kosten runterfährt. In Zukunft drohen Kürzungen bei diesen Pauschalen. Diese führen aber nicht zu einem sachgerechteren Umgang mit den Mitteln, sondern zu noch weniger und noch schlechteren Angeboten im sozialen Bereich.
Die freien Träger unterliegen einer erheblichen Konkurrenz. Konkurrenz um Fallzahlen, aber auch um Klientengruppen bzw. Stadteile. Schattenseite der an sich guten Sozialraumorientierung in der sozialen Planung ist die Übergabe von Machtbefugnissen an einzelne Träger für den jeweiligen Sozialraum. Auch dies befördert die Tendenz zur Ketten- und schließlich Konzernbildung in diesem Bereich. Dass es nach wie vor eine Reihe kleinerer, sehr engagierter Träger in verschiedensten Bereichen gibt, ist natürlich Tatsache, aber eben nicht repräsentativ.
Es geht aus meiner Sicht darum, die soziale Arbeit als Hoheitsbereich der öffentlichen Hand zu entwickeln, d.h. konsequente (Re-)Kommunalisierung dieser Bereiche. Soziale Arbeit darf keine Ware sein! Profitstreben und Konkurrenz haben in diesem Bereich nichts zu suchen. Mehr Qualität ist nicht durch gewinnorientierte Sozialkonzerne zu erreichen.

mit freundlichen Grüßen
R. Meier