Frage an Roderich Kiesewetter von Mathias G.
Frage: Welche Konsequenzen würden Sie als Politiker ziehen, wenn sich im Laufe der Ermittlungen herausstellt, dass die Urheberschaft des Bekennerschreibens nicht auf Mitglieder des IS in Syrien und Irak zurückzuführen ist und/oder es sich im Laufe der Ermittlungen herausstellt, dass es die Kommandos zum gemeinsamen Einsatz aus Frankreich oder Belgien kamen?
Sehr geehrter Herr Gordon,
vielen Dank für Ihre Fragen. Als Parlamentarier ist es mir wichtig, meine Entscheidungen auf Grundlage hochwertiger und vertrauenswürdiger Informationen zu treffen. Meine Entschlüsse stützen sich dabei insbesondere auf die mir zugängliche Informationslage im Umfeld von Bundestag und Bundesregierung sowie Informationen aus dem nachrichtendienstlichen Umfeld. Gleichzeitig versuche ich, mir in persönlichen Gesprächen mit hohen Vertretern der Exekutive ein Lagebild zu machen. Dennoch sind die Gefahren einer fälschlichen Interpretation von Ereignissen natürlich stets präsent. Die amerikanische Regierung hat sich beispielsweise 2003 durch fragwürdige Beweise auf einen Krieg mit dem Irak eingelassen. Bei einer Entscheidung auf Grundlage fragwürdiger Informationen würden wir uns gemeinsam dafür einsetzen, die Entscheidungsprozesse zu überdenken und zu reformieren. Die USA haben nach 2003 gezeigt, dass dies möglich ist!
Im Falle Syriens habe ich nach Abwägung der Fakten den Schluss gezogen, dass der Aufruf des Islamischen Staates, europäische Gesellschaften durch Terroranschläge anzugreifen, in direkter Verbindung mit den Attentaten in Paris steht. Gleichzeitig bin ich der Auffassung, dass der Erfolg des Islamischen Staates die Rekrutierung von Terroristen in Europa deutlich beschleunigt hat. Nach meinen Informationen befinden sich mehrere Tausend Europäer in Syrien und im Irak, um für Daesh zu kämpfen. Einige der Rückkehrer stellen eine großes Risiko für unsere Gesellschaften dar. Schließlich sehe ich auch die Gefahr einer Destabilisierung der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens, sollte es der internationalen Gemeinschaft (auch Saudi-Arabien und der Iran werden vom IS bedroht) nicht gelingen, den sogenannten Islamischen Staat einzudämmen. Staaten wie der Libanon und Jordanien sind durch die vom IS mit zu verantwortende Fluchtwelle in ihrer Stabilität gefährdet. Wenn diese Staaten nicht mehr in der Lage sind, die hohen Flüchtlingszahlen zu absorbieren, ist das auch für die Stabilität der europäischen Gesellschaften eine potentielle Gefahr.
Die Existenz des IS stellt auch unabhängig von den Pariser Anschlägen eine Gefährdung für die Sicherheit Europas und des Nahen und Mittleren Ostens dar. In der Sicherheitsratsresolution der Vereinten Nationen hat sich die Staatengemeinschaft darauf festgelegt "in dem unter der Kontrolle des ISIL, auch bekannt als Daesh, stehenden Gebiet in Syrien und Irak alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und ihre Anstrengungen zu verstärken und zu koordinieren, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden."
Bei meiner Entscheidung haben also nicht nur die Terroranschläge in Paris eine Rolle gespielt, sondern die vom IS beschleunigte Instabilität der Region und die Rekrutierungsmöglichkeiten des IS im Rahmen des internationalen Terrorismus. Deshalb ist es gleich, woher der Einsatz kam, der IS und sein Netzwerk ist in beiden von Ihnen angesprochenen Bereichen aktiv.
Der deutsche Einsatz in Syrien im Verbund mit einer breiten Koalition aus Partnerstaaten ist deshalb nach meiner Meinung die richtige Antwort auf die vom IS ausgeführten Anschläge in Paris und die Destabilisierung des Mittleren Ostens.
Mit freundliche Grüßen
Roderich Kiesewetter