Frage an Robin Thiedmann von Bora Ö. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
In Ihrem Parteiprogramm stehen Sie für eine europäische Bürger-, Sozial und Rentenversicherung. Wie möchten Sie diese an die unterschiedlichen regionalen Bedingungen anpassen? Diese Frage wird umso wichtiger, wenn es - wie in Ihrem Europawahlprogramm erwähnt - um ein bedingungsloses Grundeinkommen geht. Wie möchten Sie z.B. verhindern, dass Menschen aus Regionen mit niedrigen Lebenshaltungskosten sich in Regionen wohnhaft melden, die eine höhere Auszahlungen aufgrund höherer Lebenshaltungskosten gewähren, diese Menschen aber gar nicht in dieser Region wohnen? Wie lange dauert es Ihrer Meinung nach, bis sich diese regionale Bedingungen angleichen? Wie möchten Sie die kulturellen bzw. demografischen Unterschiede berücksichtigen im Hinblick auf das Renteneintrittsalter? Ich unterstütze den Grundgedanken sehr und halte ihn für richtig, jedoch fällt es mir schwer bei den Unterschieden in den kulturellen, demografischen und regionalen Randbedingungen eine praktische Umsetzung innerhalb der europäischen Union vorzustellen. Deshalb freue ich mich, wenn Sie Ihre Lösung beschreiben.
Hallo Frau ,
in unserem Programm schreiben wir stets von "regional bemessenen" Versicherungen und einem regional bemessenen, existenzsichernden Grundeinkommen. Denn vollkommen klar ist, dass die Unterschiede zwischen den Ländern und ebenso die Unterschiede zwischen Regionen innerhalb dieser Länder enorm sind und ein einheitlicher Satz vollkommen absurd wäre.
Die regionale Bemessung soll sich dabei an den jeweiligen Lebenshaltungskosten orientieren. Das hieße beispielsweise, dass die Sätze in Frankfurt andere wären als in Chemnitz und diese wiederum andere als in Warschau oder Posen. Wichtig ist dabei, wie die Regionen bemessen sind. Wir schlagen in unserem Visionspapier mehrere Möglichkeiten vor, unter anderem eine Einteilung der Regionen nach Funktionalen Urbanen Regionen, die jeweils starke Stadtgebiete und das umliegende Land und Hinterland umfassen. Dadurch würden auch strukturschwache Regionen aufgewertet werden und von dem Wachstum und Wohlstand der Städte profitieren. Letztenendes soll die Entscheidung zur Regionengliederung aber nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern vorallem auch kulturellen Erwägungen heraus getroffen werden und in jedem Fall den Bürgern obliegen.
Zu ihrer Frage nach der Meldung: Das ist eine Sache des Meldegesetzes. Auch heute muss man ja an seinem jeweiligen Wohnort gemeldet sein und nur für diesen Wohnort wäre eine Auszahlung möglich, die wiederum regional bemessen ist. Die Kontrolle davon obliegt den jeweiligen Meldeämtern. Wenn diese ihre Aufgabe nicht erfüllen können müssen sie dementsprechend aufgestockt oder umstrukturiert und unterstützt werden.
Zu ihrer Frage nach der Dauer der regionalen Angleichung kann ich keine valide Abschätzung abgeben. Das hängt von so vielen Faktoren ab, dass jede Aussage von mir dazu nur Kaffeesatzleserei wäre. Maßgeblich dafür sind ja Investitions- und Aufbauprogramme, wirtschaftspolitische Entscheidungen auf regionaler Ebene und Strukturangleichungsfonds und -programme auf europäischer Ebene. Offensichtlich ist in meinen Augen aber, dass bevor weitere EU-Erweiterungsrunden unternommen werden können, erst einmal eine stärkere Konsolidierung innerhalb der EU vorgenommen werde muss und die Anforderungen an Beitrittskandidaten höher gesetzt werden müssen, um zu große Verwerfungen zu vermeiden.
Zu ihrer Frage in Bezug auf das Renteneintrittsalter habe ich keine Patentlösung. Ich halte da aber eine Art "Gleitzonenregelung" oder einen Multiplaktor, anhand dessen der Rentensatz individuell bestimmt wird, für mögliche Ansätze. Letztenendes ist auch das natürlich Aushandlungssache. Was wir aber bei dieser Frage nicht vergessen dürfen sind die Fortschritte im medizinischen, biotechnischen und technischen Bereich. Jeden Tag durchbrechen wir mit Forschung Grenzen und erzielen Dinge, die wir vorher für unmöglich gehalten hatten. Jedes Jahr steigt das zu erwartende Lebensalter und die Gesundheit der Menschen. Noch nie zuvor waren so viele Menschen in so hohem Alter noch so mobil und bei guter Gesundheit. Mit neuen Schlüsseltechnologien werden wir auch in dieser Hinsicht jegliche Grenzen sprengen.
Die logische Folge davon ist auch eine stetige Anpassung des Renteneintrittsalters. Darum werden wir auch durch den demografischen Wandel nicht herum kommen. Das ist eine unangenehme Wahrheit, aber eigentlich eine sehr positive Nachricht, denn was ist besser, als länger fit zu sein? Leider traut sich fast kein Politiker diese auszusprechen. Stattdessen werden Wahlgeschenke wie die Rente mit 63 gemacht um noch ein paar mehr Stimmen mit schönen Illusionen zu fangen. Das ist unredlich, anbiedernd und heuchlerisch und das schlimmste von allem: es gefährdet die Zukunft und den Wohlstand unseres Landes und seiner Bürger. Ich würde mir wünschen, dass hier ehrlicher kommuniziert und realistische und notwendige Änderungen vorgenommen werden, auch wenn das Wählerstimmen kostet.
Ich hoffe ich konnte Ihnen damit einige Antworten auf Ihre Fragen geben.
Mit besten Grüßen
Robin Thiedmann