Sie nennen Werbung, Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte als Studienfächer. Welche Abschlüsse haben Sie erreicht? Welche beruflichen Qualifikationen, außer den parteiinternen, haben Sie?
Sie vertreten mich und die Wähler des Wahlkreises Zollernalb-Sigmaringen seit 2021 im Bundestag. Anläßlich einer Diskussion interessierter Bürger zur Fachkräfteproblematik, stellten sich Fragen zur Qualifikation der politischen Vertreter unseres Wahlkreises. Thomas Bareiß sowie die Vertreter der sonstigen Parteien lassen bezüglich der beruflichen Angaben keine Fragen offen.
O.a. Frage zu Ihren Studienabschlüssen blieben auf Facebook unbeantwortet. Deshalb nochmalig:
Mit welchen Abschlüssen haben Sie Ihre Studien beendet ?
Welche beruflichen Qualifikationen, außer den parteiinternen Tätigkeiten, haben Sie ?
Haben Sie schon außerhalb der Politik gearbeitet, und wenn ja,wie lange ?
Über Ihre Antworten würden sich die Wähler des Wahlkreises Zollernalb-Sigmaringen, die Ihnen den Sprung in den Bundestag ermöglichten, freuen.
Sehr geehrter Herr S.,
danke für Ihre Fragen und entschuldigen Sie bitte die verspätete Antwort. Gerne beantworte ich Ihnen, was Sie wissen wollen. Vorab nur eine Vorbemerkung.
Sie schreiben: „ (Es) stellten sich Fragen zur Qualifikation der politischen Vertreter unseres Wahlkreises.“ Das ist in einer repräsentativen Demokratie mit Abgeordneten eine zentrale Frage. Ich finde es sehr gut, dass sie diese Frage kritisch stellen. Und woran man die Qualifikation seines Abgeordneten festmacht, ist auch jedem selbst überlassen.
Was ich Ihnen sagen will: Ich mache die Qualifikation von Abgeordneten an anderen Kriterien fest, als Sie hier zu erfragen scheinen. Erlauben Sie mir, Ihnen meine Kriterien kurz zu erläutern. Es sind nur zwei Punkte.
1. Kriterium: Wofür steht ein Abgeordneter?
Was sind seine politische Ansichten? Wie entscheidet er bei Fragen, die mir wichtig sind? Wofür setzt er sich ein? Worin investiert er viel Zeit und Energie?
2. Kriterium: Wie durchsetzungsfähig ist ein Abgeordneter?
Behaupten kann man viel, was kriegt ein Abgeordneter wirklich bewegt? Wie gut ist er darin, Kompromisse zu finden?
Ich glaube, die beiden Kriterien stehen für sich selbst. Und ich glaube, dass auch sie beide Kriterien für wichtig halten. Deswegen finde ich es schade, wenn wir beim Thema Qualifikation dann nur über einen Aspekt sprechen, der möglicherweise irreführend ist. Denn: Natürlich hat ein 32-Jähriger (wie ich) in der Regel weniger Berufserfahrung als ein Mitfünfziger. Aber was folgt jetzt daraus? Ich setze mich im Bundestag für bessere Arbeitsbedingungen ein. Das betrifft anständige Löhne, die betriebliche Mitbestimmung, den Arbeitsschutz und viele andere Dinge. Gleichzeitig gibt es Abgeordnete im Bundestag, die älter als ich sind und teils mehr Berufserfahrung haben, die aber GEGEN stärkere Arbeitnehmerrechte stimmen. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Möglicherweise geht es Ihnen nicht um arbeitspolitische Themen, sondern um Lebenserfahrung. Hier wird es schon komplizierter. Einerseits habe ich natürlich nicht die Lebenserfahrung eines Mittfünfzigers. Andererseits habe ich in meinem Leben schon viel erlebt und getan, was viele nicht erlebt und getan haben, die deutlich älter sind als ich. Es lohnt sich, den konkreten Einzelfall zu betrachten, finde ich. Außerdem leben in Deutschland auch viele junge Familien, deren Perspektive in den vergangenen Jahrzehnten aus meiner Sicht zu kurz gekommen ist, als vor allem ältere und stark überwiegend männliche Abgeordnete den Bundestag dominierten. Daher erhebe ich niemals den Anspruch alles zu sein, alles zu können oder alles zu wissen. Aber ich sehe mich sehr gut in der Lage, die Interessen vieler Millionen Gleichgesinnter aus eigener Erfahrung heraus im deutschen Parlament vertreten zu können.
Thema Erfahrung: Am Ende ist es meiner Erfahrung nach am wichtigsten, sich in andere Personen hineinversetzen zu können und für Ihre Anliegen zu kämpfen. Denn niemand hat alles erlebt. Wer Klempner ist, ist keine Lehrerin. Wer Arzt ist, ist keine Pflegekraft. Wer auf dem Bau arbeitet, ist meistens keine alleinerziehende Mutter. Darum ist es als Abgeordneter entscheidend, mit anderen zu sprechen, andere Perspektiven und Anliegen ernst und aufzunehmen und in dem Sinne politische Veränderungen herbeizuführen.
Ob ich das gut mache oder ob das für Sie überhaupt die relevante Frage ist, entscheiden natürlich Sie. Aber ich erlaube mir zu sagen, dass ich deutlich mehr Gespräche führe mit den Leuten, die mutmaßlich auch Ihnen am Herzen liegen, und dabei deutlich mehr dabei rumkommt, als bei manchem Kollegen, dessen Lebenslauf vielleicht mehr Ihrem Ideal entspricht.
Danke, dass Sie sich meinen Standpunkt angehört haben. Nun zu den konkreten Antworten:
1. Ich habe mein Studium nicht mit einem Abschluss beendet. Das sage ich jedem, der es wissen will. So auch Ihnen. Auf Facebook bekomme ich oft eine große Menge an Kommentaren. Entschuldigen Sie, wenn dabei etwas untergeht.
Warum habe ich meine Studien ohne Abschluss beendet? Wäre ich bei der Bundestagswahl nicht gewählt worden, wäre das anders gekommen. Ich habe mich aber dazu entschlossen, 100 Prozent meiner Aufmerksamkeit und Energie dem Mandat und den Leuten, die ich politisch vertrete, zu widmen und nicht nebenher noch zu Ende zu studieren. Natürlich hätte ich auch schon früher ein Studium beenden können. Stattdessen habe ich aber früh begonnen, Vollzeit zu arbeiten und mich politisch zu engagieren. Dabei habe ich mein eigenes Geld verdient, meine eigenen Erfahrungen gesammelt und nebenher an der Uni noch viel gelernt. Für mich war das der ideale Weg und ich würde das immer wieder so tun. Ich halte es für eine große gesellschaftliche Errungenschaft, dass so ein Weg in Deutschland möglich ist. Klar, ergibt der Weg für einige keinen Sinn. Wer Arzt werden will, braucht am Ende eine Approbation, um arbeiten zu können und das ist auch richtig so. Aber in meinem Fall hätte mir ein Abschluss nichts gebracht, was ich nicht durch eigenen Fleiß und erlernte Fähigkeiten ohnehin habe erreichen können.
2. Wie viele Leute habe ich eine Vielzahl an beruflichen Qualifikationen. Einige davon helfen mir dabei, ein fähiger Abgeordneter zu sein, wie ich finde. Die beste Ausbildung oder das beste Studium helfen einem als Abgeordnetem aus meiner Sicht nämlich auch nichts, wenn man nicht in der Lage ist, komplexe Sachverhalte zu erfassen, sie einfach erklären zu können, Verhandlungen zu führen, mit Menschen umgehen und vor allem Dinge durchsetzen zu können.
Eine besondere berufliche Qualifikation, wenn Sie so wollen, ist in meinem Fall, dass ich ausgebildet und erfahren im Bereich Kommunikation/Social Media bin. Das habe ich studiert und vor allem habe ich das Wissen jahrelang angewandt und dabei nicht nur einzigartige Erfahrungen gesammelt, sondern auch berufliche Erfolge erzielt. Sicherlich ist das ein Berufsfeld, dass es vor einigen Jahren noch nicht gab. Heute kommt aber kein größeres Unternehmen, Rathaus und keine Organisation mit Außenwirkung mehr ohne aus.
3. Selbstverständlich habe ich außerhalb der Politik gearbeitet. Ferienjobs bei einem Mittelständler, Kellnern und Studentenjobs lasse ich hierbei mal weg. Auch als freischaffender Künstler habe ich später Geld verdient. Was Sie aber vermutlich meinen: Auch als Social-Media-Referent war ich für Unternehmen und Start-ups tätig, die nichts mit Politik zu tun hatten. Diese Phase umfasst recht genau zehn Jahre meines Lebens. Richtig ist, dass ich in der Zeit beruflich auch viel im politischen Bereich gearbeitet habe. Dazu sei gesagt: Jobs bei Parteien, Bundestagsfraktionen, Ministern oder Abgeordneten sind auch Jobs, die man bekommt, wenn man dafür geeignet ist. Und es sind auch Jobs, mit ähnlichen Herausforderungen wie bei anderen Bürojobs auch. Ich habe es durch Leistung geschafft, mich innerhalb von vier Jahren vom studentischen Mitarbeiter eines neugewählten Abgeordneten zum Social-Media-Referenten des Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten hochzuarbeiten. Darauf bin ich stolz. In dieser Zeit habe ich auch verschiedene Jobangebote aus der freien Wirtschaft bekommen, die ich abgelehnt habe. Meine Leidenschaft ist die Politik. Das war schon so, als es noch ein gewählter Beruf und kein gewähltes Amt war.
Dieser Umstand bedeutet für mich zweierlei: Erstens habe ich enorm viel in meinem Berufsleben gelernt, was mir als Abgeordnetem heute hilft, die Interessen unserer Region durchzusetzen. Zweitens bin ich unabhängig, weil ich schnell wieder einen Job finden werde, der mir Spaß macht und den ich gut kann, sollte ich nicht mehr gewählt werden.
Das war jetzt eine sehr ausführliche Antwort. Ich hoffe, sie hilft Ihnen weiter. Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn Sie meine Sicht ein Stück weit verstehen können. Wo ich es möglich machen kann, antworte ich immer selbst und ausführlich. Deswegen dauert es manchmal ein wenig länger.
Danke für Ihr Verständnis und bleiben Sie kritisch.
Mit freundlichen Grüßen
Robin Mesarosch