Portrait von Robin Korte
Robin Korte
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
100 %
/ 5 Fragen beantwortet
Frage von Juri W. •

Warum setzen die Grünen trotz stockendem Netzausbau fast ausschließlich auf Elektrifizierung und vernachlässigen Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe?

Sehr geehrter Herr Korte,

der schleppende Netzausbau stellt eine der größten Herausforderungen für die Energiewende dar. Gleichzeitig könnten Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe oder andere Alternativen viele bestehende Infrastrukturen effizient nutzen. Warum setzen die Grünen weiterhin primär auf Strom als Energieträger, obwohl es in vielen Bereichen an der nötigen Infrastruktur und Speicherkapazität fehlt? Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um alternative Technologien stärker zu fördern?

Portrait von Robin Korte
Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr W.,  

vielen Dank für Ihre Frage! Gerne nenne ich Ihnen die Gründe, die aus meiner Sicht dafürsprechen, die Elektrifizierung in den meisten Sektoren zu priorisieren. Ich möchte jedoch ausdrücklich widersprechen, dass wir GRÜNE Wasserstoff als Zukunftstechnologie “vernachlässigen”. Auch meiner Partei ist sehr am Gelingen des Wasserstoffhochlaufs gelegen. So ist z.B. unter der Verantwortung von Robert Habeck als Bundeswirtschaftsminister die Planung zum nationalen Wasserstoffkernnetz entstanden und haben die Grün-geführten Wirtschafts- und Energieministerien in Land (Mona Neubaur) und Bund (Robert Habeck) gemeinsam ein klares Bekenntnis zur Umstellung der Stahlproduktion von Thyssenkrupp am Standort Duisburg auf Wasserstoff als Energieträger abgegeben und eine Rekordfördersumme für dieses wichtige Zukunftsprojekt bereitgestellt. 

Allerdings muss, nach meiner festen Überzeugung, Wasserstoff als knappes Gut gezielt in den Bereichen eingesetzt werden, in denen eine Elektrifizierung nicht möglich oder sinnvoll ist.  

Effizienz 

Die direkte Elektrifizierung hat die höchste Effizienz. Was man nicht vergessen darf, ist, dass zur Herstellung von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen eine große Menge Strom benötigt wird. Der Wirkungsgrad von Wasserstoff liegt bei etwa 60-70%, d.h. dass nur etwa 60-70% der eingesetzten elektrischen Energie als chemische Energie gespeichert werden. Wenn man dann den Wasserstoff, wie es für viele Anwendungsfälle, z.B. in Brennstoffzellen notwendig ist, wieder rückumwandelt in Strom, geht weitere Energie verloren. Hinzukommen außerdem ggf. Speicherverluste. 

Im Bereich von Autos wird die Überlegenheit der Elektrifizierung in Bezug auf die Effizienz besonders deutlich. Während E-Autos einen Wirkungsgrad von etwa 65% haben, liegt er bei Brennstoffzellen-PKW bei 27% und beim herkömmlichen Benziner bei nur 20%. Sogenannte E-Fuels haben aufgrund ihrer sehr aufwändigen Produktion sogar nur einen Wirkungsgrad von 13 %.  

Für die meisten Anwendungsgebiete von der E-Mobilität bei PKW bis zum Heizen in Wohngebäuden ist die Elektrifizierung der mit Abstand effizienteste Weg. 

Verfügbarkeit 

Hinzukommen Verfügbarkeitsprobleme beim Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen. Wenn der Wasserstoff „grün“ sein soll, was ja unser Ziel ist, muss der eingesetzte Strom aus Erneuerbaren Energien kommen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien geht zwar gut voran. Der daraus gewonnene Strom wird aber auf absehbare Zeit nicht ausreichen, ihn für die wie oben dargestellt sehr stromintensive Produktion von Wasserstoff oder andere Power-to-X-Technologien in großem Maßstab zu verwenden, sondern er wird zunächst für den direkten Einsatz benötigt. Aber auch aus anderen Gründen, wie fehlenden Elektrolyseuren oder Speicherkapazitäten, ist die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland (bzw. in ganz Europa) bislang noch nicht ausreichend in Schwung gekommen. Absehbar wird Deutschland auch auf Importe angewiesen sein, doch auch im Ausland steht grüner Wasserstoff noch nicht im großen Maßstab zur Verfügung. 

Am Hochlauf von grünem Wasserstoff wird daher aktuell noch intensiv gearbeitet. Als Grüne setzen wir uns dafür ein, das Wasserstoffkernnetz zügig und bedarfsorientiert aufzubauen, die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland zu fördern und neue Importquellen zu sichern. So hat NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur etwa einen Neun-Punkte-Plan für einen erfolgreichen Wasserstoff-Hochlauf vorgelegt, ein Wasserstoff-Importkonzept veröffentlicht und beispielsweise mit Portugal eine gemeinsame Absichtserklärung zur Wasserstoffentwicklung unterzeichnet. Absehbar wird Grüner Wasserstoff allerdings ein rares Gut bleiben und nicht für alle technisch möglichen Anwendungen zur Verfügung stehen. 

Priorisierung 

Es braucht daher eine Priorisierung, welche Sektoren zuerst Grünen Wasserstoff nutzen sollen und grundsätzlich eine Abwägung in welchen Bereichen Wasserstoff überhaupt sinnvoll ist. Aus meiner Sicht wird Wasserstoff insbesondere für große industrielle Prozesse unersetzlich sein und sollte daher für die Industrie auch als erstes verfügbar und ihr zunächst vorbehalten sein. Hierauf ist auch der Ausbau der Wasserstoffkernnetzes ausgelegt, mit dem insbesondere große industrielle Zentren angeschlossen werden. Daneben kann  Wasserstoff auch im Mobilitätssektor eine große Rolle spielen, allerdings nicht im Individualverkehr. Künftig könnten LKW, der Luft- oder Schiffverkehr auf Wasserstoff umstellen. Umgekehrt bedeutet das aber eben auch, dass es viele Bereiche gibt, in denen eine Elektrifizierung unumgänglich bleibt. Dazu gehören aus meiner Sicht insbesondere die meisten individuellen Nutzungen vom E-Auto bis zur Wärmepumpe. 

Stromnetz 

Sie haben dennoch Recht, dass der Umbau des Stromnetzes eine anspruchsvolle Aufgabe ist, die momentan noch nicht schnell genug vorangeht. Die Gründe hierfür sind vielfältig, von aufwändigen Planungen über den v.a. bayrischen Wunsch nach Erdkabeln bis hin zu Verhinderungsklagen von Anlieger*innen. Die vor allem in der Vergangenheit viel zu langwierigen Planungs- und Genehmigungsprozesse sind ein Problem für die Energiewende, an ihrer Beschleunigung arbeiten wir und müssen wir weiterarbeiten. Wir GRÜNE stehen für einen kosteneffizienten Netzausbau und bessere Netznutzung. Der Umbau des Netzausbaus muss ergänzt werden durch Speicher aller Arten, die effiziente Nutzung der enormen Flexibilitätspotenziale von Industrie, Gewerbe, Verkehr und privaten Verbraucher*innen.   

Zudem wird aber auch Wasserstoff in der Stromversorgung künftig eine wichtige Rolle spielen, auch hieran arbeiten wir als Grüne – und zwar in Form von H2-ready Gaskraftwerken zur Abdeckung der Spitzenlast, die zunächst mit Gas und zukünftig mit grünem Wasserstoff betrieben werden, wenn dieser in ausreichender Menge vorhanden ist. Wasserstoffkraftwerke sind flexibel steuerbar, und können mithelfen, die Versorgungssicherheit in Zeiten hoher Last und geringer Erzeugung (sog. Kalte Dunkelflauten) sicher zu stellen sowie Engpässe im Stromnetz überbrücken. Dafür ist es wichtig, dass neue Gaskraftwerke “H2-ready” sind und auf Wasserstoff umstellen können.  

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Robin Korte
Robin Korte
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN