Frage an Robert Heinemann von Robert S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Heinemann,
in Ihrer Antwort auf Frau Steinborn stellen Sie Ihrerseits ein Gegenfrage, die mich jetzt sehr erstaunt hat. Wissen Sie als bildungspol. Sprecher wirklich nicht, was das aktuelle Modell einer Schule für Alle von den Konzepten der 70er Jahre unterscheidet?
Falls das keine rhetorische Frage war: die Schule für Alle:
- wird kein Kind beschämen (wie es z.B. durch Sitzenbleiben und Abschulen passiert)
- akzeptiert und handhabt, dass ein Kind in Mathe das Niveau von Klasse 7 erreicht haben und gleichzeitig in Deutsch noch auf dem Niveau der Klasse 5 stehen kann
- stellt jedem Kind, egal ob normal-, minder- oder hochbegabt das Lernumfeld zur Verfügung, das es zur Verwirklichung seiner individuellen Höchstleistung benötigt
- verwirklicht die Forderungen der Neurologie an die Schule (vgl. Vester, Caspari, Spitzer, Bauer, e.a.)
Das alles konnte die 70er-Jahre Gesamtschule nicht leisten, denn sie steckte mit ihren A, B und C-Klassen weiterhin in denselben Zwängen, wie die antiquierte Gleichschritt-Schule.
Warum behaupten Sie eigentlich immer noch, dass die Anmeldezahlen auf den verschiedenen Schulformen irgendetwas mit dem "Elternwillen" zu tun hätten? Ist Ihnen entgangen, dass die Gymnasien in der öffentlichen Wahrnehmung die einzigen Schulen sind, die noch einen vernünftigen Job versprechen (vgl. Prof. Schmidt-Trenz von der HKH)?
Besonders verärgert hat mich allerdings Ihr letzter Absatz in dem Sie mal wieder das Gespenst der Bildungsflucht an die Wand malen. Das ist nachweisbar falsch! Nur zwei Beispiele: die Max-Brauer-Schule verzeichnete nach dem Gewinn des Deutschen Schulpreises (für Ihr Reformschulkonzept!) einen Schüler-Ansturm und auf Fehmarn kam es nach der Einführung der Gemeinschaftsschule keineswegs zu der befürchteten Flucht auf das Festland. Im Gegenteil: per Saldo kamen erheblich mehr Schüler vom Festland auf die Insel (vgl. www.eifesch.de ). Warum verbreiten Sie immer noch diesen Unsinn von der Flucht in die Privatschulen?
MfG
R. Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
Ihre Antwort macht deutlich, dass die Unterschiede zwischen "Gesamtschule" und "Schule für alle" sehr mit der Lupe gesucht werden müssen. Denn Sitzenbleiben und Abschulen hat auch die Gesamtschule (zumindest in der Theorie) nicht vorgesehen, ebenso wurden unterschiedliche Niveaus akzeptiert und es wurde von den engagierten Gesamtschul-Pädagogen selbstverständlich versucht, jedem Kind das individuell richtige Lernumfeld zur Verfügung zu stellen.
Gesamtschulen, die sich wie die Max-Brauer-Schule (übrigens mit Genehmigung des CDU-Senates!) von der äußeren Differenzierung Richtung Binnendifferenzierung weiter entwickelt haben, zeigen zudem, dass auch dies bereits heute in Gesamtschulen möglich ist. Einziger Unterschied zwischen einer Gesamtschule und einer "Schule für alle" ist daher für mich die damit verbundene Abschaffung der Gymnasien. Offenbar trauen es sich viele Gesamtschulen - trotz der von Ihnen geschilderten Attraktivität - eben nicht zu, die Mehrheit der Eltern zu überzeugen, sondern wollen quasi die von den Eltern präferierte Schulform verbieten lassen - für mich ist das kein überzeugender Ansatz.
Die Flucht in die Privatschulen bei Einführung einer Einheitsschule ist kein Gespenst, sondern in vielen Nachbarländern und den USA sehr real zu sehen. Offenbar sind Sie ja selber nicht vom durchschlagenden Erfolg der Gesamtschulen nach Vorbild der Max-Brauer-Schule überzeugt, da Sie andernfalls ja einfach darauf warten würden, dass die Eltern in allen Stadtteilen von den Gymnasien zu den Gesamtschulen wechseln.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Heinemann
Schulpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion