Frage an Robert Heinemann von Petra S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Heinemann,
Sie sind gut! Jetzt haben Sie sich schon vom 19. Jahrhundert bis in die 70er Jahre vorgearbeitet!
Nur, haben Sie schon den Unterschied bemerkt, zwischen der "Gleichschrittschule mit anderen Mitteln" von vor 30 Jahren und den Schulmodellen, die aktuell diskutiert werden?
Das Zitat ist keineswegs "herausgerissen". Es ist der zentrale Punkt: lt. Tenorth ist der 2-Säulen-Unfug "intelligent", weil er es erlaubt eine zeitgemäße Schule einzuführen, ohne das Gymnasium abzuschaffen. Auf die Frage, was das Gymnasium denn so unverzichtbar macht antwortet er mit genau diesen Sätzen. Die Rechtfertigung für die Weiterexistenz des Gymnasiums besteht also darin, dass es dem Bürgertum ein Bildungsprivileg garantiert. Ich weiß ja nicht, wie Sie das so sehen, aber mir kommt das als Rechtfertigung etwas dünn vor.
Bis gestern hatten Sie noch den Vorwand "Elternwille". Aber der ist Ihnen ja nun auch abhanden gekommen (s. EKH vom 13.9.). Jetzt wird die Luft aber dünn.
Haben Sie sich schon einmal überlegt, ob es vielleicht Sie selbst sind, der da im Graben hockt und eine Stellung verteidigt, die längst verloren ist? Fühlen Sie sich eigentlich wohl, auf dem Verlorenen Posten?
Mit freundlichen Grüßen
P. Steinborn
Sehr geehrte Frau Steinborn,
Sie können mir ja gerne einmal den Unterschied zwischen dem Modell der Gesamtschule der 70er Jahre und der angeblich modernen "Schule für alle" im Detail erläutern - die Papiere der GAL sind hier jedenfalls eher phrasenartig und sehr unkonkret.
Am Elternwillen hat sich aus meiner Sicht nichts geändert. Über 50 Prozent der Eltern melden ihre Kinder am Gymnasium an, nur rund 30 Prozent an einer Gesamtschule. Selbst bekennende Gesamtschulbefürworter wählen für ihre eigenen Kinder lieber das Gymnasium - hier fehlt mir ein wenig die Glaubwürdigkeit.
Wenn die Gesamtschule und das Gymnasium bewiesen hätten, dass sie mit der bestehenden (in Hamburg besonders hohen) Heterogenität umgehen können, wäre ich gerne bereit, über eine noch höhere Heterogenität in einer Schulform nachzudenken. Das Gegenteil ist aber in den letzten Jahren und Jahrzehnten leider der Fall gewesen. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass man Schulen und Lehrer nicht mit Wünschen überfordern sollte, die vor Ort zumindest derzeit schlicht nicht erfüllt werden können.
Tut man es dennoch, verursacht man Unzufriedenheit und Ausweichbewegungen - hin zu Privatschulen, wie es sie in vielen anderen Ländern in viel größerer Anzahl gibt.
Wenn Sie wollen, dass künftig reiche Kinder an Privatschulen und arme Kinder an einer staatlichen Einheitsschule unterrichtet werden, fordern Sie gerne weiterhin die "Schule für alle" - aber Sie sollten sich im Klaren darüber sein, dass Sie damit das Gegenteil von dem erreichen, was eigentlich Ihr Ziel ist.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Heinemann