Frage an Robert Heinemann von Robert S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Heinemann,
haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage nach dem Eingang der wissenschaftlichen Beratung in die Ergebnisse der Enquete-Kommission. Leider sehe ich die Frage immer noch nicht beantwortet.
Es sind aus meiner Sicht 3 zentrale Punkte, die von der *weit* überwiegenden Zahl der Berater gefordert werden und die ich im 2-Säulen-Modell vermisse:
- späte Selektion
- Durchlässigkeit
- individuelles Lernen
McKinsey sagt:
„Einer der wichtigsten Einflussfaktoren für den Bildungserfolg ist die späte institutionelle Differenzierung in Schultypen." (01.08.2003)
Lothar Späth sagt im Handelsblatt am 22.2.06: „Gefragt sind massive strukturelle Änderungen:
Weg von einem Bildungssystem, das zu stark darauf ausgerichtet ist, überdurchschnittliche Schüler von unterdurchschnittlichen zu trennen, hin zu einem System, das individuelle Schwächen ausgleicht und Talente fördert. Dies lässt sich weder durch das althergebrachte
Drei-Klassen-System noch durch eine überwiegende Beibehaltung des herkömmlichen Frontalunterrichts gewährleisten.“
Auf der Website des dphv habe ich "Hauptschule" gerade fünfmal gefunden. Ansonsten hat die Forderung nach besserer finanzieller Ausstattung der Gymnasien dort Priorität. Als Zusammenschluß der Gymnasial- und Hochschullehrer muss der dphv wohl die persönlichen und pekuniären Interessen seiner Mitglieder vertreten.
In den Protokollen fand ich Aussagen von Herrn Prof. Lehberger lediglich zu den Themen "Risikoschüler" und "Unterrichtsqualität". In einem taz-Interview sagte er aber am 16.1.07: "Das Gymnasium nach skandinavischem Vorbild ganz abzuschaffen und nur noch eine Schule zu haben, sei politisch noch nicht durchsetzbar.[..] Die zweigliedrige Schulreform ist ein wichtiger Zwischenschritt." Und das soll ein Befürworter sein?
Leider muss ich meine Frage wiederholen: wie haben die Forderungen nach später Selektion, Durchlässigkeit und individuellem Lernen Ihrer Meinung nach Eingang in das 2-Säulen-Modell gefunden?
Sehr geehrter Herr Schneider,
auch wenn ich die Aussage zu der "weit überwiegenden Zahl der Berater" gerne von Ihnen belegt sehen würde, antworte ich gerne auf die drei von Ihnen genannten "zentralen Punkte":
1. Späte Selektion:
Hier müssten Sie definieren, was Sie unter "später Selektion" verstehen. Wenn Sie darunter die Frage verstehen, wann entschieden wird, ob ein Kind auf seiner Schule das Abitur machen kann, haben wir diesen Punkt mehr als erfüllt - denn dies ist künftig bekanntlich in beiden Schulformen möglich. Wenn es Ihnen um die Aufteilung in unterschiedliche Schulformen geht, bitte ich zu beachten, dass die Ergebnisse in Brandenburg und Berlin zumindest nahe legen, dass eine 6-jährige Grundschule keine besseren Ergebnisse bringt als eine 4-jährige. ALLE Parteien in der Enquete-Kommission waren sich daher einig, keine 6-jährige Grundschule anzustreben.
2. Durchlässigkeit
Auch dieser Begriff ist angesichts der neuen Schulstruktur in Hamburg aus meiner Sicht veraltet. Er beschreibt die Frage, ob und wie man von einer Schulform in eine andere wechseln kann, um dann dort z.B. einen höherwertigeren Schulabschluss zu machen. Da man diesen Schulabschluss künftig in beiden Schulformen machen kann, sehe ich das Thema Durchlässigkeit als erledigt an. Im Gegenteil: Wir wollen den Wechsel zwischen den Schulformen ja sogar deutlich reduzieren, um den Schülern stabilere Lernumgebungen zu bieten und ständige Reorganisationen in den Schulen zu vermeiden.
3. Individuelles Lernen
Dies ist keine Frage der Schulstruktur, sondern des Unterrichts und der Organisation in einer Schule. Hierzu hat die Enquete-Kommission umfangreiche Aussagen getroffen, die im Bericht nachzulesen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Heinemann