Frage an Robert Heinemann von Martin H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Heinemann!
Mit Erschrecken habe ich von der geplanten Änderung des per Volksentscheid eingeführten neuen Wahlrechts Kenntnis genommen. Zum zweiten mal in Folge setzt sich Ihre Partei über den ausdrücklichen Willen des Volkes hinweg. Hierzu ein paar konkrete Fragen:
1) Warum will die CDU wieder eine starre Landesliste einführen? Haben Sie Angst, daß die Großen in Ihrer Partei aufgrund mangelnder Bürgernähe abgewählt werden und daher auf sichere Listenplätze gesetzt werden müssen? Das ist doch auch eine Art von Filz, oder nicht?
2) Warum wollen Sie auf Bezirksebene zurück zum alten 1-Stimmen-Wahlrecht?
3) Halten Sie die Wählerinnen und Wähler für dumm oder warum respektieren Sie die Ergebnisse von Volksentscheiden nicht, sondern versuchen diese im Gegenteil faktische abzuschaffen (betr. Änderung der Volksgesetzgebung)?
Ich würde mich über eine Antwort freuen, die Ihrer persönlichen Sicht der Sachlage entspricht und nicht die gängigen Beschönigungen und Floskeln aufgelistet bekommen.
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Hensch
Sehr geehrter Herr Hensch,
herzlichen Dank für Ihre Mail. Zu Ihren Fragen:
1.) Wir wollen keine starre Landesliste einführen, aber die Stimmen anders gewichten: Das derzeit geltende Wahlrecht geht davon aus, dass dem Wähler, der die Parteiliste ankreuzt, deren Zusammensetzung egal ist. Der Wähler hat keine Chance, sein Einverständnis mit der Reihenfolge auf der Liste auszudrücken. Er muss sich für max. 5 Abgeordnete entscheiden, obwohl er vielleicht der Auffassung ist, dass die ersten 40 in die Bürgerschaft sollen, die letzten 20 aber nicht. Durch die Änderung soll erreicht werden, dass der Wähler, der sich mit der Reihenfolge auf der Liste einverstanden erklärt, dies durch Wahl der Parteiliste auch ausdrücken kann. Ist er mit der Reihenfolge nicht einverstanden, kann er seine Stimmen weiterhin einzelnen Kandidaten geben. Sofern dies ausreichend viele Bürger tun, kann die Liste auch künftig kräftig verändert werden.
2.) Eine Rückkehr zum 1-Stimmen-Wahlrecht ist auf Bezirksebene nicht vorgesehen. Auch hier soll der Wähler weiterhin 5 Stimmen zum kumulieren und panaschieren haben.
3.) Ich halte den Wähler nicht für dumm. Aber selbst sehr erfahrene Abgeordnete (und auch jüngere Abgeordnete wie ich) haben nach meiner Beobachtung erst nach sehr akribischen Studium des neuen Wahlrechtes wirklich alle Details wahrgenommen. Dazu gehört auch z.B., dass die Bezirksversammlungen künftig zusammen mit dem Europaparlament gewählt werden sollten. Da das nächste Europaparlament erst 2009 gewählt wird, die Bezirksabgeordneten aber 2004 nur bis 2008 gewählt wurden, ergeben sich bereits hier ernsthafte Probleme - offenbar haben selbst die Initiatoren des Volksentscheides nicht alle Details bedacht. Auch stellt sich die Frage, weshalb bei einer Auflösung des Europaparlaments die Bezirksversammlungen neu gewählt werden sollen. Dieses und manche weitere Detail zeigen, dass das neue Wahlrecht an einigen Stellen überarbeitet werden musste. Hätten wir den Volksentscheid ignorieren wollen, hätten wir das 50-Wahlkreis-Modell von CDU und SPD eingeführt - eben dies haben wir nicht getan, sondern möglichst umfassend am neuen Wahlrecht festgehalten.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Heinemann
Schulpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion