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Rita Schwarzelühr-Sutter
SPD
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Frage von Lucas K. •

Unterstützen Sie den Stopp der Importe von fossilen Brennstoffen aus und von Russland?

Im Zuge des Russland - Ukraine Krieges erachte ich es als fatal, dass wir als Unterstützer der Ukraine weiterhin Geld nach Russland überweisen und indirekt diesen Angriffskrieg finanzieren. Lieber tanke ich teurer und heize sparsamer als den Beschuss von Zivilisten zu finanzieren.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 5. März und ebenso für Ihre Geduld.

Die EU hat gemeinsam mit ihren internationalen Partnern massive Sanktionen in den Bereichen Finanzen, Energie, Transport, Beschränkungen gegen Personen und Einrichtungen sowie Visabeschränkung beschlossen. Es werden insbesondre Exportverbote verhängt, die es Russland unmöglich machen, seine Ölraffinerien zu modernisieren. Ganz konkret heißt das: Die Ausfuhren von raffiniertem Öl in die EU brachten Russland 24 Milliarden Euro im Jahr 2019, Russland ist daher extrem abhängig von diesen Zulieferungen. Weiterhin wurde am 7. April ein Importverbot für russische Kohle beschlossen.

Wo steht Deutschland und was kann erreicht werden?

  1. Ein zentraler Baustein unserer gemeinsamen Anstrengungen, noch in diesem Jahr unsere Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, ist es, deutlich weniger Öl und Gas zu verbrauchen und zwar sowohl direkt (v.a. beim Heizen, für den Transport und in Produktionsprozessen) als auch indirekt durch die Elektrifizierung von bisherigen Öl- und Gasanwendungen. Jede eingesparte Kilowattstunde ist ein Beitrag zu Energiesicherheit und -unabhängigkeit. Besondere Anstrengungen müssen wir in den Bereichen Verkehr und Gebäude unternehmen – denn hier ist die Abhängigkeit von Öl und Gas besonders groß, zudem haben beide Sektoren 2021 ihre Klimaschutzziele verfehlt. Die Bundesregierung wird daher in diesem Jahr die Anstrengungen im Bereich Energieeffizienz nochmals erheblich steigern, um gemeinsam mit Unternehmen und Privathaushalten den Gas- und Ölverbrauch kurzfristig deutlich zu senken. Sie investiert überall dort, wo sich Energieverbrauch am schnellsten einsparen lässt: Ab 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren betrieben werden. Wir finanzieren ein Austauschprogramm von Gasheizungen zu Wärmepumpen. Bereits ab Januar 2023 wird im Neubau der Effizienzstandard 55 verbindlich festgelegt. Damit verringern wir Stück für Stück die Abhängigkeit von fossilen Energien für die Wärmeversorgung und steigen aus der Gasheizung aus. 3 2. Importe aus Russland bedienten im vergangenen Jahr etwa 35 Prozent des deutschen Ölverbrauchs.
  2. In den vergangenen Wochen wurden im engen Austausch zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Mineralölwirtschaft Schritte eingeleitet, die Lieferbeziehungen mit Russland zu beenden: Verträge werden nicht verlängert, laufen nun aus und russische Importe werden so schrittweise ersetzt. Durch die Vertragsumstellungen sinkt die Abhängigkeit von russischem Öl bereits jetzt absehbar auf 25 Prozent; diese veränderten Lieferketten werden schon in den kommenden Wochen und Monaten wirksam. Bis Mitte des Jahres werden die russischen Ölimporte nach Deutschland voraussichtlich halbiert sein. Zum Jahresende streben wir an, nahezu unabhängig zu sein. Allerdings ist der Prozess anspruchsvoll: Die kurzfristige Substitution von Rohöl in geeigneten Qualitäten insbesondere an den Raffinerie-Standorten Leuna und Schwedt, die Tankstellen, Fluggesellschaften, Privathaushalte und Unternehmen unter anderem mit Benzin, Diesel, Flugbenzin oder etwa Heizöl versorgen, stellt die Mineralölwirtschaft vor größere Herausforderungen, da sie ihr Rohöl über Pipelines aus Russland beziehen. Für die Umstellung müssen eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen werden: Es sind Lieferungen über Häfen (Rostock, ggf. Danzig) notwendig – dazu ist das BMWK im Austausch mit der polnischen Regierung – und es müssen Lieferungen aus dem Westen per LKW und Zug erfolgen. Die Unternehmen und die Bundesregierung arbeiten aktuell mit Hochdruck daran, diese Voraussetzungen zu schaffen. Total, der Betreiber der Raffinerie in Leuna, die etwa ein Drittel der russischen Ölimporte abnimmt, hat die Verträge umgestellt, so dass die Ölimporte aus Russland ab Mitte April halbiert sind; das Ende aller Lieferbeziehungen mit Russland ist bis zum Ende des Jahres 2022 angekündigt. Ein weiteres Drittel der Ölimporte aus Russland entfällt auf Raffinerien in Westdeutschland. Hier ist eine Substitution russischer Importe über andere Lieferwege einfacher zu organisieren. Das letzte Drittel der russischen Ölimporte entfällt auf die Raffinerie in Schwedt. Da sie weitgehend im Besitz des russischen Staatskonzerns Rosneft ist, ist hier eine freiwillige Beendigung der Lieferbeziehungen mit Russland deutlich schwieriger. Es rächt sich, dass trotz des Krim-Kriegs ein russischer Energiekonzern so starken Einfluss auf die Versorgungssituation bekommen hat. Die Bundesregierung kümmert sich intensiv darum, dieses komplexe Problem zu lösen, um so die völlige Unabhängigkeit von russischem Öl zu erreichen.
  3.  Russische Steinkohle machte bisher rund 50 Prozent des deutschen Steinkohleverbrauchs aus, der Anteil in den Kohlekraftwerken lag sogar noch höher. Der Großteil der Betreiber von Kraftwerken der öffentlichen Versorgung hat bereits jetzt angefangen, den Einsatz russischer Steinkohle zu reduzieren. Ein Großteil der Betreiber von Kraftwerken wird bis zum Frühsommer gänzlich auf RUS Steinkohle verzichten bzw. den Einsatz stark reduzieren. Auch bei den großen industriellen Nutzern von Kohle – namentlich der Stahlindustrie, deren Importanteil russischen Kokses bei 11 Prozent liegt – erfolgt bereits eine Umstellung der Lieferverträge. Durch die Vertragsumstellungen sinkt die Abhängigkeit bei Kohle in den nächsten Wochen 4 von 50 Prozent auf rund 25 Prozent; dies ist schon ab April Schritt für Schritt wirksam. Bis zum Herbst kann Deutschland unabhängig von russischer Kohle sein.
  4. Die Reduktion von Gasimporten aus Russland ist aufgrund der hohen Abhängigkeit und den Infrastruktur-Voraussetzungen noch mal anspruchsvoller. Der Anteil der russischen Gaslieferungen lag in der Vergangenheit im Mittel bei 55 Prozent. Zum Ende des 1. Quartals ist er auf 40 Prozent gesunken. Das war durch Umstellungen im Gasbezug möglich, die durch das Agieren des russischen Gaslieferanten notwendig wurden, nachdem dieser im Winter das Angebot am kurzfristigen Spotmarkt ausgesetzt hatte, wodurch die Preise für Gas deutlich stiegen und die Speicherstände sanken. Im Gegenzug wurden der Erdgasbezug aus Norwegen und den Niederlanden erhöht sowie die LNG-Importe signifikant gesteigert. Die Unabhängigkeit von russischem Gas kann aber nur durch einen nationalen Kraftakt erreicht werden. Nötig sind viele Schritte von vielen Akteuren gleichzeitig – Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und privaten Haushalten. Die Bundesregierung arbeitet im engen Austausch mit den betroffenen Bundesländern mit Hochdruck daran, bereits 2022 und 2023 zusätzlich mehrere schwimmende LNG-Terminals (Floating Storage and Regasification Units, FSRU) in Deutschland in Betrieb zu nehmen. Das erfordert einen enormen Einsatz aller Beteiligten – auch um die technischen Voraussetzungen zu schaffen, z.B. beim Bau der Anschluss-Pipelines. Flankiert durch politische Gespräche sind die Versorgungsunternehmen dabei, ausreichende LNG-Verträge abzuschließen. Bezog Deutschland im Jahr 2021 noch 46 Mrd. m³ Gas aus Russland, können diese durch LNG-Kapazitäten zu einem guten Teil ersetzt werden, und zwar wie folgt: Die Bundesregierung sichert den LNG-Gaseinkauf und Gasweiterverkauf über die Niederlande von bis zu 1 Mrd. m³ bereits in 2022 kurzfristig ab. Mit der Anmietung der drei schwimmenden LNG Terminals (FSRU) können schrittweise bis Sommer 2024 rund 27 Mrd. m³ LNG in der Endstufe angelandet werden. Bereits zum Winter 2022/2023 können so 7,5 Mrd. m³ LNG dem Markt zusätzlich zur Verfügung stehen. Weitere LNG-Terminals, wie das Terminal Brunsbüttel mit einer Kapazität von 8 Mrd. m³, befinden sich in Planungsprozessen und stehen ab 2026 für die Versorgung bereit. Gemeinsam mit kurzfristigen Anstrengungen von Unternehmen und Privathaushalten zur Reduktion des Gaseinsatzes durch Energieeffizienz, Energieeinsparung und Elektrifizierung kann bis Ende des Jahres der Anteil russischer Gaslieferung am Gasverbrauch so auf etwa 30% gesenkt werden. Die Unabhängigkeit von russischem Gas kann in einem gemeinsamen Kraftakt bis Sommer 2024 weitgehend erreicht werden. Dies setzt zwingend, Diversifizierung, Einsparungen, den schnelleren Hochlauf von Wasserstoff sowie dem massiven Ausbau der Erneuerbaren voraus. So ist in der Summe die schrittweise Reduktion von russischem Gas auf nur noch 10% des Gasverbrauchs bis Sommer 2024 möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Rita Schwarzelühr-Sutter

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