Frage an Rita Schwarzelühr-Sutter von Laura K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Schwarzelühr-Sutter,
mein Name ist Laura Küpfer. Ich besuche die 12. Klasse des Technischen Gymnasiums Waldshut. Im Rahmen meines Seminarkurses bearbeite ich das Thema “Desertec – Solarstrom aus Nordafrika“.
Das Desertec-Projekt hat das Ziel, bis zum Jahr 2050 rund 15% des europäischen Strombedarfs mit Solarstrom aus Nordafrika zu decken. Zur Ausarbeitung des Konzepts wurde im Jahr 2009 die Desertec-Stiftung gegründet, die von grossen europäischen Firmen wie Siemens, Deutsche Bank, E.ON, RWE getragen wird.
Ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit besteht darin, zu untersuchen, wie Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft das Projekt Desertec beurteilen. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie freundlichst bitten, folgende Fragen zu beantworten:
1) Wie beurteilen Sie persönlich das Projekt Desertec?
2) Wie beurteilt die SPD dieses Projekt?
3) Wären Sie oder Ihre Partei bereit das Projekt Desertec, ähnlich wie andere regenerative Energiequellen, finanziell zu subventionieren?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung.
Mit freundlichen Grüssen
Laura Küpfer
Sehr geehrte Frau Küpfer,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Desertec. Folgend die Antworten zu Ihren Fragen.
1) Wie beurteilen Sie persönlich das Projekt Desertec?
Desertec ist vom technischen Ansatz her zunächst eine lockende Idee, Stromgewinnung in der Wüste mit kontinuierlicher gewaltiger Sonneneinstrahlung in einem Gebiet , wo unbegrenzt Platz vorhanden ist.
Ich sehe Desertec aber als allererstes unter der Kritik der dezentralen Versorgung in Europa. ich persönliche stehe zu eine möglichst unabhängige dezentralen Struktur der Energieversorgung mittels Stadtwerken und regionalen Stromerzeugern und Anbietern. Desertec würde nur das zentralistisch geprägte Bild der Großkraftwerksstruktur zementieren, man ersetze Öl von Sonatrach aus Algerien durch Strom von Sonatrach aus Algerien.
Die Stromgewinnung in Nordafrika birgt aber noch mehrere Risiken, zum einen muss der Strom erst einmal von Nordafrika mittels tausende Kilometer lagen Leitungen nach Europa transportiert werden, zum anderen birgt auch der Wüstenklima das Problem. Beispielsweise gefährden Sand- und Staubstürme regelmäßig die Anlagen und auch in der Wüste sind Sturzfluten (z. B. in Wadis) nicht gerade selten.
Ein weiteres Problem stellt die politische Stabilität in den Ländern Nordafrikas dar. Keines ist stabil, (noch) keines ist zu 100% demokratisch und alle sind im Umbruch, wie sie in den letzten Monaten feststellen konnten. Sicherheitspolitisch besteht die Gefahr der Abhängigkeit, wie momentan bereits bei Erdgas aus Russland und dem damit möglichen politischen Druck aus Nordafrika auf Europa. Auch dürfen Anlagen und Leitungen als terroristische Ziele nicht ausgeschlossen werden.
Einen weiteren Kritikpunkt sehe ich in einer Form des Neokolonialismus. Da Öl und Gas in Nordafrika auf absehbare Zeit versiegen werden, nehmen wir Europäer anstatt der Fossilen Brennstoffe halt die Flächen in Nordafrika für unsere Energieerzeugung. Natürlich werden Anlagen, Leitungen und der Rest der Infrastruktur in Europa entwickelt und hergestellt. Für den Nordafrikaner bleibt höchstens noch eine Hilfsarbeitertätigkeit bei der Aufstellung der Anlagen. Er bekommt vom „Segen der Sonne“ wenig ab, da die herrschenden Staatschefs bereits von den Energiekonzernen großzügig abgefunden wurden.
Aber bei den kritischen Punkten zur Stromerzeugung für Europa bietet Desertec auch Chancen für Nordafrika. Anstatt den Strom nach Europa zu exportieren, sollten die Magreb und Mashrek-Länder den Wüstenstrom selber nutzen um für Wohlstand im eigenen Land sorgen zu können. Beispielsweise importiert Marokko 90% seiner Energie von außerhalb (vorwiegend Algerien und den Golf-Staaten). Marokko könnte diese Energie aber selber mittels eigener solarthermischer Kraftwerke und Windkraftanlagen im Atlasgebirge selbst erzeugen. Ähnliches wäre in Algerien Libyen und Ägypten auch möglich, man denke an den Energiehunger der Millionenstadt Kairo.
Ein wichtiges Feld wird auch die Trinkwassergewinnung Nordafrikas darstellen, da die Bevölkerungszahlen in den Ländern Nordafrikas stark ansteigen. Diese gewaltigen Wassermengen sind nur noch mittels Entsalzungsanlagen möglich, die allerdings enormen Mengen an Energie brauchen.
Sollten noch der 100% Versorgung Nordafrikas mit erneuerbaren Strom noch Überschüsse vorhanden sein, könnte diese in Wasserstoff umgewandelt werden und dann nach Europa exportiert werden. Eine neue Infrastruktur braucht das nicht, man kann die bestehenden Gaspipelines und Gastransportschiffe nutzen.
2) Wie beurteilt die SPD dieses Projekt?
In der SPD gibt es verschiedene Stimmen zu Desertec, einige Gliederungen auf kommunaler Ebene sprechen sich dafür aus andere lehnen Desertec ab. Es gibt weder einen Beschluss eines Bundesparteitages noch einen Beschluss der Bundestagsfraktion.
3) Wären Sie oder Ihre Partei bereit das Projekt Desertec, ähnlich wie
andere regenerative Energiequellen, finanziell zu subventionieren?
Ein klares Nein! Desertec ist ein Projekt von internationalen großen Stromkonzernen und nicht von dezentralen Stromerzeugern, die hier in Deutschland vor über zehn Jahren angefangen haben. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde zur Markeinführung der Technologie in Deutschland umgesetzt. Was ich aber unterstütze sind wissenschaftlich-technische Kooperationen zwischen deutschen Universitäten, Unternehmen und NGOs, die aktiv in Nordafrika den Menschen helfen wollen, ihre Energieversorgung aus erneuerbaren Energien aufzubauen. Der Wissenstransfer muss beschleunigt werden. Helfe den Menschen sich selbst zu helfen um Wohlstand zu erlangen, das ist wahre Entwicklungshilfe.
Bei der weiteren Bearbeitung Ihrer Seminararbeit wünsche ich Ihnen viel Erfolg und hoffe, dass die Antworten Ihnen helfen können.