Frage an René Röspel von Leo B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Röspel,
Wie stehen Sie zu der Frage nach einer Legalisierung von Cannabis und der aus derselben heraus ermöglichten kontrollierten Abgabe von Cannabis und THC-haltigen Produkten als Genussmittel und Medizin?
Meines Erachtens nach muss die Prohibition von Cannabis als gescheitert betrachtet werden. Studien belegen mittlerweile, dass in den Niederlanden derselbe prozentuale Anteil der Bevölkerung regelmäßig Cannabis oder THC-haltige Produkte konsumiert wie in Deutschland. Außerdem ermöglicht erst die Verlagerung des bestehenden Schwarzmarktes von Cannabis auf einen legalen Markt, Qualitätskontrollen oder die Einhaltung des Jugendschutzes.
Es ist ein Trugschluss, die Folgen der Prohibition (Verunreinigter Stoff, nicht real nachvollziehbarer oder überprüfbarer Wirkstoffgehalt in der Droge) als Argument für die konsequente Weiterführung der Probihition zu nennen.
Gerade die Streckmittelproblematik, die den Konsumenten wesentlich größeren gesundheitlichen Schäden aussetzt als der reine Konsum von Cannabis (welches ja nicht nur geraucht werden kann, sondern auch als hochwertiges Nahrungsmittel verwendet wird) bereitet mit große Sorge. Der Deutsche Hanf Verband hat hierzu einen "Streckmittel-Melder" für von Streckmitteln betroffenen Konsumenten eingerichtet ( http://hanfverband.de/index.php/themen/streckmittel ).
Cannabis stellt eine im Vergleich zu diversen Schmerzmitteln und pharmazeutischen Medikamenten harmlose Medizin für diverse, mitunter schwere Krankheiten, wie z.B. multipler Sklerose, dar. Leider sind die momentanen Möglichkeiten für die medizinische Nutzung von Cannabis stark begrenzt, da der Patient zwar in extrem seltenen Fällen zu einem Bezug von Cannabis aus einer Apotheke befugt wird, aber die für entstehenden Kosten (welche teilweise das Doppelte des Straßenpreises betragen) keine Krankenversicherung aufkommt. So kann der Patient seinen Bedarf an medizinischem Cannabis in der Regel nicht decken.
Mit freundlichen Grüßen,
Leo Brandt
Sehr geehrter Herr Brandt,
haben Sie vielen Dank für ihre Anfrage, die ich auf diesem Wege beantworte.
Ich halte weder etwas von einer gänzlichen Legalisierung von Cannabis noch etwas von der Kriminalisierung beim Eigengebrauch geringer Mengen. Sie haben vollkommen Recht, dass Cannabis gerade für den medizinischen Gebrauch sehr nützlich sein kann. Das hat sogar die schwarz-gelbe Regierungskoalition vor einigen Monaten eingesehen und in der "25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften" Cannabis - wenn diese als Fertigarzneimitteln angeboten werden - erlaubt. Die Position "Cannabis" wurde umgestuft, damit cannabishaltige Fertigarzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen und für Patienten verschrieben werden konnten. Nichtsdestotrotz ist die Praxis und auch die Anerkennung des Gebrauchs von cannabishaltigen Arzneimitteln bei den Krankenkassen problematisch, so dass für Patienten häufig noch keine zufriedenstellende Lösung erreicht ist.
Ich bin aber dagegen, einen scheinbaren „problemlosen“ Cannabis-Konsum zu verallgemeinern. Mir geht es nicht darum, Cannabis-Konsumenten mit möglichst schwerwiegenden Repressalien zu drohen oder zu verfolgen. Ich setze mich im Gegenteil für eine Entkriminalisierung der Konsumenten bei geringen Mengen ein, weil die bisherige Regelung in meinen Augen durch die regionalen Unterschiede ungerecht und außerdem insgesamt nicht verhältnismäßig ist. Daher bringt die SPD-Bundestagsfraktion derzeit einen Antrag auf den Weg, der sich für eine bundesweit einheitliche „geringe-Mengen-Regelung“ einsetzt und eine tatsächliche Entkriminalisierung bei den geringen Mengen endlich bundeseinheitlich zu regeln.
Dennoch sollten im Rahmen einer Entkriminalisierung des Cannabis-Konsum die Aspekte der Gesundheitsaufklärung und Suchtprävention eine prominente Rolle spielen. Auch wenn Cannabis im Volksmund als „weiche Droge“ tituliert wird, ist der Konsum dieses Stoffes nicht frei von Gefahren. Insbesondere bei Konsumenten in der Adoleszenz sei auf die erhöhte Gefahren für die psychische Gesundheit dieser Konsumentengruppe verwiesen. Ebenfalls wird von Wissenschaftlern aus dem Bereich der Suchtforschung darauf hingewiesen, dass die sogenannten ‚problematischen Konsummuster‘ bei jungen Cannabiskonsumenten in Deutschland eine signifikante Rolle spielen.
Der von der Linksfraktion vorgeschlagenen Ansatz zur Etablierung von Cannabis-Clubs nach spanischem Vorbild, geht nach meiner Auffassung zu wenig auf diese Probleme ein. Gleiches gilt für die Probleme rund um das Thema Jugendschutz, die nicht nur in diesem Antrag, sondern auch in der öffentlichen Diskussion um dieses Thema nur unzureichend aufgegriffen werden.
Hinsichtlich der von Ihnen aufgeworfenen Problematik der Identifizierung (möglicher) Beimischungen gesundheitsgefährdender Streckmittel, ist die derzeitige Rechtssituation in Deutschland in der Tat nicht zufriedenstellend. Ich möchte Sie aber auf die Möglichkeit aufmerksam machen, dass es Konsumenten illegaler Drogen in Deutschland offen steht sich zu weiteren Untersuchungen an ihren Hausarzt zu wenden. Unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht ist es diesem möglich eine Blut- oder Urinprobe seines Patienten anonym zur weiteren Untersuchung in ein Labor zu geben. Anhand eines toxikologischen Gutachtens lassen sich auf diese Weise ex-post eventuelle Verunreinigungen durch (toxische) Streckmittel nachweisen.
An dieser Stelle sei jedoch nochmals ausdrücklich vor dem Konsum illegaler Drogen gewarnt, da aufgrund der illegalen Produktion und des Vertriebs über den Schwarzmarkt dieser Suchtstoffe eine Verunreinigung nie ausgeschlossen werden kann. Wer demnach erwägt illegale Drogen zu konsumieren, der sollte sich stets bewußt sein, welche Risiken er eingeht und eine adäquate Risikobewertung vornehmen. Und auch unter einer veränderten Rechtslage – hin zu einer möglichen Entkriminalisierung – bleiben die Konsumgefahren und das Suchtpotential von Cannabisprodukten bestehen.
Weitere Informationen zur Bewertung der rechtlichen und gesundheitlichen Aspekte einer Entkriminalisierung von Cannabis können sie auch der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses vom 25.1.2012 entnehmen: (http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a14/anhoerungen/p_Cannabis/index.html)
Ich hoffe ich habe ihre Frage zufriedenstellend beantwortet und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
René Röspel