Frage an Renate Schmidt von Jörg S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Laut Datenschutzreport der Bundesregierung Ende der 90-er Jahre waren jährlich maximal 3 - 8 % der Asylbewerber anerkannt. Ist es zum 1. richtig, dass die nicht anerkannten keineswegs abgeschoben wurden, sondern sich nach wie vor in unserem Land aufhalten und ihr Lebensunterhalt aus unseren Steuergeldern finanziert wird und zum 2. unser soziales Netz auch durch diese Ausbeutung vor dem Zusammenbruch steht. Bei einer angenommenen Zahl von ca 1 Mio Asylbetrügern kommt bei einer angenommenen Summe von ca 800 EUR moantlich pro Kopf ein schönes "Sümmchen" zusammen.
Sehr geehrter Herr Schneider,
die von Ihnen zitierte Anerkennungsquote von 3-8 Prozent gibt leider nur ein verkürztes Bild wieder. Sie bezieht sich nur auf die Anerkennungen als Asylberechtigte nach dem Grundgesetz. Die Zahl erfasst nicht Personen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtlinge zu schützen sind. Gleiches gilt bei Personen, die wegen drohender Folter oder wegen unmenschlicher Behandlung oder wegen einer schweren Gefährdung von Leib oder Leben nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können. All diese Personen wurden früher trotz einer anerkannten Gefährdung als abgelehnte Asylsuchende registriert.
In den 90er Jahren wurden zum Beispiel die Asylanträge von Asylsuchenden aus Bosnien, dem Kosovo oder aus Afghanistan zu einem weit überwiegenden Teil abgelehnt, obwohl die Bedrohung dieser Menschen in ihren Herkunftsländern offensichtlich war und auch von niemandem bestritten wurde. Diese Menschen wurden deshalb aus guten Gründen trotz Ablehnung des Asylantrages nicht abgeschoben.
Der Begriff der Anerkennungsquote wird inzwischen kaum noch verwendet. Die Beauftragte der Bundesregierung der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration verwendet vor diesem Hintergrund den Begriff "Schutzquote". Nach ihren Berechnungen lag die Schutzquote in den 90er Jahren aus den angeführten Gründen erheblich über der Anerkennungsquote (vgl. www.integrationsbeauftragte.de, dort der Text "Mythen im deutschen Asylrecht" vom November 2000).
Asylsuchende unterliegen im ersten Jahr ihres Aufenthaltes einem Arbeitsverbot. Nach Ablauf dieses ersten Jahres können sie eine Erlaubnis für eine Arbeit nur bekommen, wenn kein deutscher Staatsangehöriger oder bevorrechteter ausländischer Staatsangehöriger zur Verfügung steht. Gleiches gilt für abgelehnte Asylsuchende. In der zweiten Hälfte der 90er Jahren war es abhängig vom Einreisedatum für viele dieser Menschen eine Arbeitsaufnahme sogar auf Dauer ausgeschlossen. Hinzu kommt in vielen Fällen die Unterbringung von Asylsuchenden in ländlichen oder sehr strukturschwachen Gebieten. Dieses Vorgehen schafft dort zwar Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung, bedeutet aber auch, dass Asylsuchende selbst kaum Aussichten auf eine Erwerbstätigkeit haben. Bessere rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit würden im Ergebnis auch zu Einsparung öffentlicher Kosten führen.
Die Leistungen von bedürftigen Asylsuchenden und bedürftigen abgelehnten Asylsuchenden sind im Vergleich zu deutschen Leistungsempfängern um mindestens 25 Prozent abgesenkt,bei Alleinstehenden beträgt die Differenz sogar bis zu 35 Prozent. Sie erhalten in den ersten drei Jahren ihres Aufenthaltes ein monatliches Taschengeld von 40 Euro, im übrigen wird die Hilfe durch die Bereitstellung von Unterkunft und Lebensmittel gewährt.
Der Inhalt und der Duktus Ihre Anfrage zeigt mir, dass in der Öffentlichkeit leider immer noch viele falsche Vorstellungen von Schutzsuchenden und ihrer Lebenssituation in Deutschland bestehen. Ich plädiere für eine Anerkennungspraxis im Asylverfahren und eine Ausgestaltung der Lebensbedingungen dieser Menschen, die ihrem Verfolgungsschicksal gerecht werden und weniger abschreckend wirken. Die Änderungen im Zuwanderungsgesetz mit der Anerkennung von nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung waren in diesem Zusammenhang ein wichtiger Schritt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Renate Schmidt