Frage an Renate Schmidt von Gaby W. bezüglich Senioren
Sehr geehrte Frau Schmitt,
mit Entsetzen habe ich gelesen, dass Langzeitarbeitslose für die Betreuung Demenzkranker eingesetzt werden sollen.
Ich bin Altenpflegerin, arbeite in der Betreuung Demenzkranker. Haben Sie Erfahrung auf diesem Gebiet? Wissen Sie wie feinfühlig Demenzkranke auf ihre Mitmenschen reagieren und wie unvorhersehbar ihre Reaktionen sind? Es fällt erfahrenen Pflegekräften nicht immer leicht, angemessen auf schwierige Situationen zu reagiern. Wie soll das ein Mensch können, der vom Arbeitsamt dahin geschickt wird? Ich habe schon einige 1€-Kräfte vom Arbeitsamt mitangeleitet. Diese gaben alle nach kurzer Zeit überfordert auf oder wir mussten sie wegen Unfähigkeit ablehnen. Sie kosten uns mehr Nerven, als dass sie Hilfe sind!!! Denn die Verantwortung liegt bei mir, wenn ich jemanden mit einem Demenzkranken spazieren gehn lasse. Ich finde es eine Zumutung für die Senioren, wenn jeder von der Straße weg ins Altenheim zur Pflege geschickt wird!!! Ich bin gerne zu einem Gespräch mit Ihnen bereit!
Mit freundlichen Grüßen
Gaby Walter
Sehr geehrte Frau Walter,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Pflegeassistenten.
Als Schirmherrin in der Deutschen Alzheimergesellschaft habe ich viel Erfahrung mit Demenzkranken und kenne deren Bedürfnisse genau. Genau deshalb halte ich die anhaltende, überwiegend negative Diskussion über den begrüßenswerten Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit, Langzeitarbeitslosen eine Berufsperspektive als Pflegeassistenten zu verschaffen für falsch. Ich möchte daher einiges dazu klarstellen:
1. Pflegeassistenten/assistentinnen sind eine wesentliche Verbesserung im Rahmen der am 1.7. in Kraft getretenen Pflegereform und sollen die Lebensqualität insbesondere für Demenzkranke verbessern.
2. Pflegeassistenten/assistentinnen sollen gerade nicht für die akute Pflege von Pflegebedürftigen (auch nicht als Altenpflegehelfer/innen) eingesetzt werden, sondern für nicht-pflegerische Aufgaben, wie z.B. Spazierengehen, Vorlesen, Unterhalten, etc. Sie werden auf den Personalschlüssel nicht angerechnet, sind reguläre Beschäftigte und haben mit sogenannten 1-€-Jobs nichts zu tun.
3. Langzeitarbeitslosen nach einer entsprechenden Schulung generell die Fähigkeit für derartige Tätigkeiten abzusprechen, stempelt diese zu Menschen zweiter Klasse. Gerade bei diesem Personenkreis sind viele die ihren Job nur deshalb verloren haben, weil sie angeblich zu alt sind, ein kleineres körperliches Handicap haben (Tragen von Lasten) oder weil sie (vor allem Frauen) ihre Erwerbstätigkeit zur Pflege der alten Eltern unterbrochen und danach keinen neuen Job mehr gefunden haben. All denen soziale Kompetenz ebenso wie arbeitslosen Altenpfleger/innen, Sozialpädagogen/innen abzusprechen zeugt gelinde gesagt von Unkenntnis.
4. Pflegeassistenten/assistentinnen werden endlich den Alltag von Demenz-kranken in Heimen lebenswerter machen. Das ist ein großer Schritt nach vorn.
5. Der Bundesagentur ist zu raten, bei den Schulungsmaßnahmen für künftige Pflegeassistenten/assistentinnen den Sachverstand der Selbsthilfeorganisationen z.B. der Deutschen Alzheimer Gesellschaft einzubeziehen und nicht nur Langzeitarbeitslose sondern vor allem auch arbeitssuchende, wiedereinstiegswillige Frauen zu berücksichtigen. Den Trägerorganisationen der Altenheime ist zu raten, nicht mit Abwehr zu reagieren, sondern die neuen Pflegeassistenten so einzusetzen, wie es vom Gesetzgeber gedacht ist: Nicht als preiswerte Hilfskräfte für einfache Arbeiten, sondern als neuen Beruf, der das Leben von Demenzkranken schöner und bunter macht.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Schmidt