Frage an Renate Schmidt von Hans-Rudolf R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr verehrte Frau Schmidt,
mich regt schon seit längerem der Begriff "Fraktionszwang" auf.
Wenn durch die Partei, im Rahmen des Fraktionszwanges, ein so erheblicher Druck auf Abgeordnete ausgeübt werden kann, dass sogar schon mit einem Parteiausschlußverfahren gedroht wird, wenn man nicht im Sinne der Fraktion abstimmt, so ist das meiner Ansicht nach gegen das Grundgesetz. Wo bleibt denn da die Unabhängigkeit der Abgeordneten ?
Im Umkehrschluß kann ich dann auch ketzerisch behaupten - wir sparen uns den Bundestag und lassen nur die Fraktionsvorsitzenden abstimmen. Dies würde uns - dem Volk - viel Geld sparen.
Ist der Fraktionszwang grundgesetzwidrig ?
Mich würde Ihre Meinung dazu interessieren.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Rudolf Reinecke, Dipl.-Ing.
Sehr geehrter Herr Reinecke,
in der Tat wäre Fraktionszwang nach meiner Auffassung grundgesetzwidrig, da es gegen die Gewissensfreiheit der Abgeordneten verstoßen würde. Wenn Sie sich einmal das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten bei namentlichen Abstimmungen anschauen, dann werden Sie schnell sehen, dass es einen Fraktionszwang auch nicht gibt. Es ist natürlich so, dass die Abgeordneten einer Fraktion sich auch gebunden fühlen, mit ihren Fraktionskolleginnen und –kollegen zu stimmen, wenn sie aber bei einer Abstimmung nicht zustimmen können, dann brauchen Sie es auch nicht zu tun. Ein Zwang – wie Sie schreiben – bis zum Parteiausschluss ist mir nicht bekannt und ich war lange Zeit Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Schmidt