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Frage von Ortwin G. •

Frage an Renate Schmidt von Ortwin G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Schmidt,

Derzeit wird wieder eine neue Geflügelpestverordnung zur Vorlage im Bundestag erarbeitet, die auch eine Daueraufstallung von jeglichem Nutzgeflügel beinhaltet.

Ich frage mich wozu dies dienen soll, wenn 90 % aller Fälle an Vogelgerippe bisher in Massentierhaltungen aufgetreten sind?

Zwar sind auch Ausnahmen vorgesehen, wie sie seit dem Jahr 2005 auch großflächig praktiziert werden, nur welchen Sinn macht dann eine solches Gebot der Daueraufstallung, wenn Ausnhamen zur Regel werden?

Die Verordnungsvorlage beinhaltet für bäuerliche Kleinbetriebe, Hobbyhalter und Selbstversorger sehr viele Auflagen, die nicht mehr praktikabel sein werden, und nach und nach alle zur Aufgabe zwingen wird.
Soll es künftig fränkische Kirchweihen ohne heimischen Gänsebraten geben?

Als Antwort wird immer wieder verbreitet, das Geflügelpestvirus H5N1 ist hochpathogen und sehr agressiv. Wenn man diesem Sachverhalt nachgeht, so findet man den Ursprung darin, dass es in Asien in den vergangenen Jahren große Ausbrüche gegeben hat. Niemand scheint aber zu berücksichtigen, dass es auch noch nie so überdimensionierte Massentierhaltungen zuvor in Asien gegeben hat. Wäre der Virus wirklich hochpathogen und agressiv, müßte die Vogelzugrouten nicht mit Kadavern übersät sein?
Das Thema Vogelgrippe hat derzeit zu viele offene Fragen - die leider das Bundeslandwirtschaftsministerium zu beantworten sich weigert - als dass eine solche Dauerverordnung notwendig erscheint.

Der Umgang mit dem Thema bei Politikern und Medien hat leider mein Verständnis von Demokratie in den Grundfesten zu tiefst erschüttert.
Die Verordnung erscheint mir nur darauf abzuzielen, die Massentierhaltung zu stärken, obwohl sie der Verursacher des Ganzen ist.

Für eine Antwort auf die aufgeworfenen Fragen wäre ich Ihnen sehr dankbar, auch wie Sie abzustimmen gedenken.

mit freundlichen Grüßen
Ortwin Großmann

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Sehr geehrter Herr Großmann,

natürlich will auch ich keine fränkischen Kirchweihen – oder auch Weihnachten ohne Gänse. Daher ist es besonders wichtig, dass wir eine Verbreitung des Vogelgrippe-Virus verhindern.

Die aktuelle Bundesratsdrucksache führt verschiedene Verordnungen zum Schutz gegen die Geflügelpest und deren Verschleppung bei Geflügel und Wildgeflügel zusammen.
Betroffen sind:
- die Verordnung über die Untersuchungen auf die Klassische Geflügelpest vom 31. Dezember 2006
- die Geflügelpest-Verordnung in der Fassung vom 20. Dezember 2005
- Verordnung zur Aufstallung des Geflügels zum Schutz vor der Klassischen Geflügelpest vom 22. Februar 2007
- Nutzgeflügel-Geflügelpestverordnung vom 10. August 2006
- Verordnung über die Schutzmaßnahmen beim Auftreten von Geflügelpest bei wildlebenden Tieren vom 24. November 2006

Die Neufassung der Geflügelpest-Verordnung ist grundsätzlich sinnvoll, da im Umgang mit der Geflügelpest ein fundierter und einheitlicher Rechtsrahmen benötigt wird. Damit werden Eilverordnungen – und damit Ad-hoc-Vorgaben wie in der Vergangenheit – überflüssig. Gleichzeitig entfällt die Pflicht, die Eilverordnung spätestens sechs Monaten zu überprüfen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die allgemeine Stallpflicht für immer festgeschrieben wird. Die Geflügelpest-Verordnung gilt zwar bundesweit, für die Umsetzung und Überwachung der in Verordnung gesetzten Standards sind jedoch die Behörden der Länder und Kommunen zuständig. Die kommunalen Fachbehörden können anhand ihrer lokalen und damit individuellen Gefährdungsanalyse entscheiden, wie sie das Aufstallungsgebot umsetzen. Dies halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt für ein sinnvolles und effektives administratives Vorgehen, um die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf eines hinweisen: Aufstallung bedeutet nicht automatisch, dass das Geflügel in geschlossenen Gebäuden oder gar Käfigen gehalten werden muss. Ebenso ist es möglich, Geflügel unter einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung mit einer gesicherten Seitenbegrenzung zu halten. Ausnahmen von der Aufstallung sind ebenfalls möglich.

Das Friedrich-Loeffler-Institutes (FLI) erstellt für die Öffentlichkeit und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz laufend Lageberichte und Risikobewertungen zur Geflügelgrippe. Aufgrund der aktuellen Bewertung des FLI vom 6. Juli 2007 „…wird das Risiko des Eintrages von HPAIV H5N1 über Wildvögel in Haustiergeflügelbestände als hoch eingeschätzt.“ Diese Risikobewertung stützt sich unter anderem auf den Nachweis des HPAIV H5N1 Asia-Virus in deutschen Wildvögeln. Der aktuelle Infektionsfall bei uns im Landkreis Erlangen-Höchstadt vom 25.8.2007 bestätigt die Risikoeinschätzung. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Virus in der einheimischen Wildvogel-population, wenn nicht zirkuliert, so sich doch in Reservoiren sammelt und sich dadurch ein hohes Gefährdungspotential entwickelt. Wie sich bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, werden Haustierbestände insbesondere in den Regionen mit dem Geflügelgrippevirus angesteckt, wo wildlebendes Wassergeflügel als Virusträger identifiziert werden konnten.

Eine andere Möglichkeit im Umgang mit Tierseuchen ist die Entwicklung einer Impfstrategie. An einem sicheren Impfstoff wird derzeit mit Hochdruck gearbeitet. Impfstoffe müssen hohen Anforderungen entsprechen. So ist es erforderlich, dass zum einen eine ausreichende Markereigenschaft vorhanden ist, damit die geimpften von den nicht geimpften Tieren unterschieden werden können und zum anderen das geimpfte Tier kein Feldvirus verbreitet. Aber: Massenimpfungen sind zum jetzigen Zeitpunkt kein Allheilmittel. Kern der gegenwärtigen Seuchenbekämpfung ist die Stallpflicht.

Trotz aller Vorbeugemaßnahmen kann es immer wieder zu Infizierungen von Beständen kommen, in privaten ebenso wie in gewerblichen Haltungsformen. Dann bleibt uns zur Zeit lediglich die Keulung im vorgesehen gesetzlichen Rahmen als Mittel der Wahl.

Das Risiko, dass ein für den Menschen gefährliches Virus entstehen könnte, lässt sich durch diese Maßnahmen minimieren. Ich bin mir im Klaren darüber, dass durch diese Maßnahmen insbesondere bei Hobbyhaltern individuelle Härten entstehen können. Trotzdem halte ich die Keulung zum gegenwärtigen Zeitpunkt für ein sinnvolles und effektives Vorgehen, um die Seuche einzudämmen.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals klarstellen, dass die Gefahren, die von der Ausbreitung der Geflügelgrippe ausgehen, nicht zu unterschätzen sind und dass die Folgen einer Infektion alle Haltungsformen gleichermaßen treffen können. In jedem Seuchenfall sind schnelle und effiziente Handlungsoptionen nötig.

Mit freundlichen Grüßen
Renate Schmidt