Frage an Renate Schmidt von Gerhard G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schmidt,
in den Medien wurde Ihre Parteikollegin Barbara Hendricks mit der Forderung zitiert, angesichts von Mitgliederverlusten "sinkende Beitragseinnahmen durch höhere Staatszuschüsse auszugleichen (dpa)". Ist dies eine von der SPD unterstützte Forderung? Vertreten auch Sie die Meinung, dass die Bürger dafür finanziell einzutreten haben, wenn Parteimitglieder austreten, weil sie erkennen müssen, dass ihre Partei den Bezug zu den Bürgern verloren haben und sich mehr und mehr der Vertretung ihrer eigenen Interessen widmen? Parteien sollten Vorbild sein und sind in dieser Funktion auch selbst zum Kosten sparen angehalten. Beim Verfolgen der politischen und parteipolitischen Aktivitäten stelle ich fest, dass sie statt dessen häufig damit glänzen, Geld zu verprassen anstatt zu sparen. Dies fängt an bei den immensen Kosten für ihre Parteitage, den großhubraumigen und umweltschädlichen Fahrzeugen, die gefahren werden, den kostspieligen Empfängen, die den Bürgern im Fernsehen präsentiert werden. Die Liste läßt sich beliebig weiter führen. Was kann getan werden, um dieser undemokratischen Geldverschwendung Einhalt zu gebieten? Stattdessen dem Bürger wieder in die Tasche zu greifen (was durch die jetzige Regierung bereits häufig genug geschehen ist), damit die Parteien ihr "glanzvolles" Leben aufrecht erhalten können, ist sicher nicht der richtige Weg. Wie stehen Sie zu der Forderung, den Parteien zu verordnen, selbst den Gürtel enger zu schnallen und Eigenverantwortung zu übernehmen, so wie es von den Bürgern gefordert wird?
Mit freundlichem Gruß
Gerhard Gutbrod
Sehr geehrter Herr Gutbrod,
ich danke Ihnen für Ihre Frage. Es ist keineswegs so, dass die Parteien in Saus und Braus leben, während die Bürger die Gürtel enger schnallen müssen.
Die wichtigsten Einnahmequellen der Parteien sind neben den Mitgliedsbeiträgen die staatlichen Zuwendungen und die Spenden. Durch den Rückgang der Mitgliederzahlen der Parteien haben die Parteien auch Büros geschlossen und Mitarbeiter entlassen müssen. Eine wichtige Aufgabe unserer Parteien ist es ja, dass sie die Anliegen der Bürger, die sich vor Ort in den Büros an sie wenden, an die Politik weitertragen. Da eine wichtige Ausgabe der Parteien die Personalkosten sind, ist genau diese Funktion gefährdet. Der dauernde Rückgang der Parteienfinanzen hat Personalabbau zur Folge, was bedeutet, dass vor Ort keine Parteien mehr als Ansprechpartner fungieren können und die Politik noch viel mehr von den Bundeszentralen der Parteien bestimmt wird - wollen wir das wirklich? Ich möchte Sie einladen, dass Sie sich im Erlanger SPD-Büro einmal über das Tagesgeschäft von Parteien informieren. Hier stehen weder großhubraumige Fahrzeuge noch finden hier Parteitage in Prunk statt.
Unsere Parteien haben den grundgesetzlichen Auftrag, das Bindeglied zwischen Bürgern und Politik zu sein. Dieser Auftrag muss auch vom Staat finanziert werden.
Wir müssen uns die Frage stellen, was wir von unseren Parteien künftig wollen. Wollen wir unabhängige Parteien, die sich nicht von Spenden abhängig machen? Wollen wir Parteien, die auch die Möglichkeit haben, Mitarbeiter zu beschäftigen, die sich um die Anliegen der Bürger kümmern oder die politische Zukunftskonzepte erstellen?
Genau solche Parteien brauchen wir auch künftig für unsere Demokratie.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Schmidt