Frage an Renate Schmidt von Philip S. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Schmidt,
das Flugverbot über dem Zentrum von Berlin ist doch ein typischer, völlig populistischer und sinnloser Akt. Er impliziert die merkwürdige Vorstellung, dass ein Terrorist sich durch ein unsichtbares Verbotsschild abschrecken lässt. Als könnte man durch Halteverbote vor Banken in den Innenstädten Banküberfälle verhindern?
Ich bin seit mehr als zehn Jahren Inhaber eines gültigen Pilotenscheins, seit 7 Jahren Inhaber eines Berufspilotenscheins. Am 01.07.05 bekam ich die Aufforderung des Luftfahrt-Bundesamtes bis zum 05.09.05 eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach §7 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) bei der für mich zuständigen Luftsicherheitsbehörde zu beantragen, sonst wird meine Lizenz widerrufen. Die für mich zuständige Luftsicherheitsbehörde ist das Luftamt Nordbayern. Ich bin doch recht erstaunt darüber, was mittlerweile in unserem Land alles möglich ist. Neben dem Abschaffen des Bankgeheimnisses, die den Behörden ein ungehindertes Schnüffeln in den Privatkonten der Bürger ermöglicht, der nächste Angriff des Staates auf persönliche Daten unschuldiger Bürger. Resultat der Aufforderung des LBA (Luftfahrt-Bundesamtes) ist, ob ich nach über 10 Jahren Tätigkeit als Privat- und Berufspilot für dieses Land ein erträgliches Risiko darstelle oder ein potentieller Terrorist bin, der aus dem Verkehr gezogen werden muss.
Im Zuge der Zuverlässigkeitsüberprüfung werden sämtliche Geheimdienste der Welt (auch die alten Stasiakten!) und selbst der Arbeitgeber einbezogen. Als würde sich irgendein Terrorist vorher dieser Untersuchung stellen? Der fliegt nämlich einfach vom Ausland ein oder nimmt einen Lastwagen, der viel mehr Sprengstoff tragen kann als jedes Leichtflugzeug. Alles bewirkt nur den gläsernen Bürger und eine Menge unsinniger Bürokratie und die Stasi wäre stolz darauf gewesen, hätte sie schon diese Möglichkeiten gehabt. Auch eine künftige radikale Regierung findet solche "Notstandgesetze" bereits vor! Eine schreckliche Vorstellung, dass wir vielleicht denen schon jetzt in die Hand arbeiten!
Mit denselben Argumenten kann auch jeder Führerscheinbesitzer "durchleuchtet" werden und auch jeder Rucksackträger und dies ist sogar noch besser begründbar, da bisher jede Menge Autobomben in den Innenstädten explodiert sind. Es war aber noch niemals ein Pilot darunter!! Die Terroristen des 11. September waren keine Piloten, sondern hatten vorher ein wenig Flugunterricht. Sind Sie der Meinung, dass hier das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist? Sind Sie der Meinung, dass so die Würde des Menschen unangetastet bleibt, wenn solche willkürliche Schnüffelei über die Minderheit der Flieger kommt. Wissen Sie, dass die Piloten dies "freiwillig" unter Androhung von Lizenzverlust beantragen müssen, diese höchst fragwürdige Prozedur sich jährlich unterziehen und auch noch aus eigener Tasche bezahlen dürfen?
Sind unsere führenden Regierungsvertreter inzwischen mehr beeinflusst von psychisch Kranken (Motorseglerpilot über Frankfurt) und Selbstmördern (Absturz neben dem Reichstag), als von normalen Bürgern (Piloten), die nicht mehr gehört werden?
Was ist eine freiheitliche Demokratie noch wert, wenn sie so mit ihren Minderheiten umgeht?
Freiheit und Demokratie und Menschenwürde, werden sie dadurch geschützt,
dass man sie schleichend abschafft?
Das Bundesverfassungsgericht hat vor ganz kurzer Zeit, eine solche
Telefonspionage ohne jeden Verdacht als nicht verfassungskonform bezeichnet.
Es gibt aktuell keinerlei Grenze zum Ausspionieren
durch jede unkontrollierte Bürokratenwillkür.
Was werden Sie, als unsere künftige Abgeordnete, dagegen tun?
Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung im Orwellschen Sinne?
Können Sie mir als meine Wahlkandidatin diese Fragen befriedigend beantworten?
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Philip Schamberger
Sehr geehrter Herr Schamberger,
Ihren Unmut über Ihre persönliche Überprüfung nach dem Luftsicherheitsgesetz kann ich nachvollziehen, auch wenn ich aus Gründen, die ich Ihnen gerne schildern möchte, anderer Meinung bin.
Der Schutz aller Bürgerinnen und Bürger steht für die Bundesregierung und auch für mich als künftige Abgeordnete an oberster Stelle: Um die Menschen geht es, nicht um die mögliche Ursache der Gefahr. Ob die Attentäter der Vergangenheit ausgebildete Piloten waren oder nicht, ist meiner Meinung nach sekundär: Wichtig ist, dass der Staat alles in seiner Macht und seinem Rechtssystem entsprechende tut, um künftige Gefahren zu minimieren. Hier haben Bund und Länder eine gemeinsame Verantwortung.
Im Risikobewusstsein der Deutschen gibt es in den letzten Monaten und Jahren ein bedenkliches Auf und Ab. Je weiter ein schreckliches Ereignis wie London zurückliegt, um so lauter werden die Stimmen, die die Anti-Terror-Maßnahmen für übertrieben halten. Das Gegenteil ist wahr: Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus wird noch viele Jahre andauern. Wir müssen daher unsere Sicherheitsarchitektur weiter ausbauen.
Vorrangiges Ziel der Sicherheitsbehörden bleibt es, terroristische Strukturen frühzeitig aufzudecken und Tatplanungen bereits im Ansatz zu zerschlagen. Durch die erfolgreiche Arbeit der Sicherheitsbehörden ist dies in der Vergangenheit bereits mehrfach gelungen. Die mit dem Luftsicherheitsgesetz vom 11. Januar 2005 für Privatpiloten eingeführte Zuverlässigkeitsüberprüfung ist hier ein wichtiger Baustein. Dieses bewährte Instrument kann von vornherein verhindern, dass unzuverlässige Personen eine Pilotenausbildung erhalten und ein Luftfahrzeug führen dürfen. Derzeit unterliegen ca. 30.000 Privatpiloten dieser Verpflichtung.
Ich kann verstehen, dass Sie ausgehend von Ihnen selbst diese Überprüfung als überflüssig erachten. Bitte bedenken Sie aber, dass jedes Menschenleben, das durch eine solche Maßnahme künftig vielleicht gerettet werden kann, es wert ist. Ihren Vergleich mit dem Orwell’schen „1984“ finde ich in diesem Zusammenhang unangemessen und sehe auch Ihre Menschenwürde nicht angegriffen.
Vielleicht können Sie die Sicherheitsüberprüfung in einem etwas anderen Licht sehen, wenn Sie wissen, dass auch in anderen Bereichen Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt werden, z.B. nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz, nach dem Atomgesetz oder nach dem Waffengesetz.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Renate Schmidt