Portrait von Renate Schmidt
Renate Schmidt
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Renate Schmidt zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Dr. Stephan G. •

Frage an Renate Schmidt von Dr. Stephan G. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Schmidt,
wie gut Sie Ihre Sache machen, kann ich nicht genau beurteilen. Ich habe keine eigene Familie und bin daher eher peripher betroffen von dem, was Sie tun oder unterlassen. Immerhin habe ich noch keine medialen Verrisse gehört, und das kann schließlich nicht jeder Bundesminister für sich in Anspruch nehmen. Aber vielleicht wird das Thema „Familie“ von vielen Medien als „Gedöns“ behandelt, also als nicht brauchbar, um daraus Schlagzeilen zu machen. Ich hoffe das nicht. Ich habe bislang jedoch auch noch keinen Erfolg Ihres Ministeriums an einer der wichtigsten „Familienfronten“ wahrgenommen, nämlich der Umkehr der demographischen Tendenz, der Abkehr von der 1,3-Kinder-Familie oder wie man das sonst noch nennen mag. Nun weiß ich natürlich, dass Sie nicht Bundeskanzlerin sind, schon gar nicht Königin von Deutschland, aber wenn Sie diese Sache als Problem begreifen (was ich hoffe) und nicht zum Erfolg kommen, dann müssten Sie doch wenigstens die Hindernisse benennen können, die Ihnen im Weg sind. Können Sie das? Ich interessiere mich dafür.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Geue

Portrait von Renate Schmidt
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Geue,

tatsächlich haben wir es in Deutschland über Jahrzehnte hinweg versäumt, in der Familienpolitik die richtigen Weichen zu stellen und die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich die Menschen ihre vorhandenen Kinderwünsche erfüllen. Denn für die meisten Menschen gehören Kinder zu einem erfüllten Leben dazu. Häufig wird der Kinderwunsch aber auf der Suche nach dem "richtigen" Zeitpunkt so lange aufgeschoben, bis aus dem Kinderwunsch Kinderlosigkeit wird.

Deutschland gibt zwar vergleichsweise viel Geld für Familien aus - im EU-Vergleich liegen wir im oberen Drittel. Dieses viele Geld hat in Deutschland jedoch bei Kriterien wie Geburtenrate, Frauenerwerbstätigkeit oder Armut zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt. Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass überall dort, wo es mehr Kinderbetreuungsangebote gibt, dort, wo eine Balance von Familie und Beruf erleichtert wird, auch die Geburtenrate höher ist.

Deshalb hat die Bundesregierung einen Politikwechsel eingeleitet, weg von einer Fixierung auf monetäre Familienpolitik, verstärkt hin zu einer nachhaltigen Familienpolitik wirksamer Infrastrukturen und familienunterstützender Dienstleistungen. Der Ausbau der Kinderbetreuung war neben unseren Aktivitäten für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf Schwerpunkt dieser Legislaturperiode.

Unser Gesetz zum Ausbau der Tagesbetreuung vor allem für die unter Dreijährigen, das Anfang 2005 in Kraft getreten ist, und die Lokalen Bündnissen für Familie, von denen es deutschlandweit bereits über 200 Initiativen in Städten und Gemeinden gibt, sind hier wichtige Ansätze. Auf finanzielle Leistungen kann natürlich auch in Zukunft nicht verzichtet werden, sie gilt es aber gezielter einzusetzen. Dazu gehört unser geplantes Elterngeld, das als Lohnersatzleistung künftig für das erste Jahr nach der Geburt gezahlt werden soll. So erleben Eltern diese wichtige Phase in finanzieller Sicherheit, Alleinerziehende bewahren ihre finanzielle Unabhängigkeit und auch Väter bekommen erstmals realistische Anreize, die Elternzeit in Anspruch zu nehmen.

Sie werden verstehen, dass solche Reformen nicht von heute auf morgen wirken können. Eins haben wir aber schon heute erreicht: Dass von der Familienpolitik heute niemand ernsthaft mehr als "Gedöns" spricht. Denn immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass weniger Kinder auch weniger Innovationen und weniger Wachstum bedeuten. Familienfreundlichkeit wird auch zum Standortfaktor.

Solange aber nicht jeder einzelne häufiger darüber spricht, was Kinder vor allem sind - nämlich Freude und Lebensglück - solange werden wir einen notwendigen Mentalitätswechsel in Deutschland nicht erreichen. Jeder von uns kann ein Stückchen dazu beitragen, dass Deutschland wieder von einem kinderentwöhnten zu einem familienfreundlichen Land wird.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Renate Schmidt