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Renate Künast
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Frage von Angela K. •

Frage an Renate Künast von Angela K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Künast,

Vor der Wahl zu klären: 50% aller Haushalte zahlen keine Steuern = Armutszeugnis für Deutschland !!!!! Sklavenlöhne werde subventioniert - wann gibt s endlich Mindestlohn?? Und: Wer findet es gerecht, dass man arbeitswillig einen 400,- Euro Job annimmt, der mit HartzIV verrechnet wird, aber Menschen, die nie Bewerbungen schreiben und sich eingerichtet haben, dann zu einem 1,50 Euro Job verdonnert werden , wo sie 180,- Euro zusätzlich zum Hartz IV Satz erhalten. Wer nichts tut in diesem Lande wird belohnt, wer sich kümmert und arbeiten will, dem wird bis auf 160,- Euro alles abgezogen. Hier sollte dringend eine Änderung erfolgen - gerade im Hinblick auf die länger währende Wirtschaftskrise. Mini-Jobs sollten bei Hartz IV Empfängern vollständig anrechnungsfrei bleiben, womit wir dann auch einen inoffiziell neuen Mindestlohn hätten. Ich habe fast vier Jahre in Spanien gearbeitet und mehr verdient als das, was man mir hier anbot. In Spanien gilt auch für Erdbeerpflücker: 600,- Euro NETTO-Mindestlohn !!!! Und jeder Arbeitsvertrag wird beim zuständigen Arbeitsamt registriert. Warum nicht auch im sonst so regelungswütigen Deutschland?

Bislang hatte ich immer GRÜN gewählt, bin mir aber nach Eurer Regerungszeit nicht mehr sicher, zumal man ja auch so gar nichts mehr an Forderungen bezüglich gerechterer Verteilung und mehr Umweltschutz hört.
Also: Welche Gesetzesänderungen bezüglich Mini-Job und Hartz IV würden Sie einführen? Und: Was würden Sie dafür tun, damit endlich die Benzinschleudern vom Markt verschwinden zu Gunsten von Hybrid-Antrieben? Die von der großen Koalition vorgeschlagene Verschrottungsprämie und Kfz-Steuerbefreiung sind nicht nur halbherzig, sondern auch ein weiteres Armutszeugnis in Sachen Umweltschutz. Wofür steht Ihre Partei überhaupt noch ?

Freundliche Grüße,
Angela Koob

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Koob,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworte.

Wir Grünen haben gerade in den letzten Jahren zahlreiche Konzepte für mehr Gerechtigkeit und einen besseren Einstieg in den Arbeitsmarkt entwickelt. Neben der Grünen Grundsicherung sowie unserer Weiterentwicklung der Hartz-Regelungen mit besseren Zuverdienstmöglichkeiten, wollen wir einen gesetzlichen Mindestlohn und unser Progressiv-Modell für geringere Sozialabgaben einführen.

Ich teile auch ihre Kritik an der Autopolitik der großen Koalition. Die Regierung wirft der Autolobby das Geld hinterher, anstatt ihr den Weg in die Zukunft zu weisen. Es geht um Arbeitsplätze, die eine Zukunft haben und nicht um ein Strohfeuer. Wir Grüne fordern auch eine wirklich ökologische Kfz-Steuerreform. Autos die 80g CO2/100 km (etwa 3 l/100 km) sollen steuerfrei bleiben, dicke Karossen dagegen deutlich stärker als bisher besteuert werden. Zudem muss die steuerliche Bevorzugung von Dienstwagen abgeschafft werden. Damit zeigen wir der Autoindustrie den Weg in die Zukunft.

Wir treten dafür ein, die Sätze für das Arbeitslosengeld II neu zu berechnen und an das gestiegene Preisniveau anzupassen. Für einen alleinstehenden Erwachsenen sollte die Regelleistung in Zukunft 420 Euro statt 351 Euro betragen. Der Bedarf von Kindern und Jugendlichen muss ebenfalls eigenständig ermittelt und angehoben werden. Selbst die Richter am Bundessozialgericht haben das angemahnt. Anders als Erwachsene, sind Kinder noch in der Entwicklung. Um Kinder gesund zu ernähren, für den Besuch im Museum und für passende Kleidung reicht die jetzige Regelleistung bei weitem nicht aus.

Ein weiteres zentrales Element der Grünen Grundsicherung ist die Stärkung der Rechte der Hilfebedürftigen und ihrer Angehörigen. Bei der Beratung in den Jobcentern gibt es nach wie vor erhebliche Mängel. Statt einer Beziehung auf Augenhöhe herrscht ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Behörde und Hilfebedürftigen. Statt Menschen auf dem Weg zurück in den Arbeitsmarkt zielgerichtet zu unterstützen, werden sie oft unter Androhung von Sanktionen in sinnlose Maßnahmen gesteckt. Das muss dringend geändert werden.

Unser Progressiv-Modell entlastet Arbeitnehmer mit niedrigen Gehältern. Erst ab einem Bruttolohn von mehr als 2000 Euro muss der volle Beitragssatz gezahlt werden. Bei einem Bruttoeinkommen von 1000 Euro wären zum Beispiel nur zwei Drittel der Beiträge fällig. So bleibt mehr Netto vom Brutto übrig. Und auch die Arbeitgeber werden entlastet - so entstehen neue Arbeitsplätze bei Dienstleistungen und Handwerk.

Mini-Jobs wollen wir abschaffen. Sie sind sozial ungerecht und verzerren den Arbeitsmarkt. An ihre Stelle würde das Progressiv-Modell treten. Damit wären die jetzigen Minijobber endlich auch krankenversichert.

Um den Sprung aus dem Arbeitslosengeld II in Arbeit leichter zu machen, wollen wir abgestimmt mit dem Progressiv-Modell die Zuverdienstmöglichkeiten verbessern. Ein eigenes Einkommen soll auf die Grundsicherung weniger stark angerechnet werden als beim heutigen Arbeitslosengeld II. Bis zu einem Verdienst von 400 Euro soll jeder zweite Euro anrechnungsfrei bleiben, darüber hinaus soll ein Anteil des Verdienstes von über 20 Prozent bei den EmpfängerInnen verbleiben. Damit wollen wir Verbesserungen für kleine Einkommen erreichen und auch zusätzliche Handlungsspielräume für diejenigen eröffnen, die z. B. als Alleinerziehende nicht ohne weiteres in der Lage sind, einen Vollzeitjob auszuüben. Die Hinzuverdienste wirken mit dem Progressiv-Modell zusammen, im Zusammenspiel unterstützen sie gemeinsam die Aufnahme von Erwerbstätigkeit.

Ich hoffe, Ihnen hilft meine Antwort weiter.
Mit freundlichen Grüßen,

Renate Künast

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