Frage an Renate Künast von Carsten M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Künast,
als Staatsbürger, Wähler und nicht zuletzt als Betroffener bitte ich Sie hiermit herzlich darum, mir Ihre Ansicht und Ihre Pläne bezüglich einer nunmehr dringend fälligen, anständigen "Entschädigung" der noch lebenden Contergan-Opfer in Deutschland mitzuteilen.
Das Wort "Entschädigung" musste hier selbstverständlich in Anführungszeichen gesetzt erscheinen, da ja doch offenbar sein sollte, dass niemand von uns je "entschädigt" werden kann; jedoch müsste ebenso außer Frage stehen, dass "wir Betroffenen" einen Anspruch darauf haben, in unserem jeweiligen Leben in angemessener Weise Unterstützung zu erfahren!
Dies ist dringlichst geboten!
Die in diesem Jahr verwirklichte Erhöhung der Renten kann nur ein erster Schritt gewesen sein; eine Verdoppelung von "äußerst ungenügend" ergibt immer noch nur "ungenügend". Zudem hatte diese Erhöhung keinen rückwirkenden Charakter.
Ausgerechnet im Mutterland von Contergan sind die Zahlungen weit geringer als irgendwo sonst in Europa.
Der Herstellerfirma Grünenthal, dem Unternehmen Mäurer&Wirtz und nicht zuletzt der Eigentümerfamilie Wirtz geht es blendend ...
Seit dem 18.09.2008 befinden sich – wie Sie sicher wissen – einige Betroffene in einem Hungerstreik … der Besuch eines Spitzenpolitikers vor Ort steht immer noch aus.
Muss erst jemand zu Tode kommen, bevor etwas geschieht?
Ihrer geneigten Antwort sehe ich mit Ungeduld entgegen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Carsten Möller
Sehr geehrter Herr Möller,
vielen Dank für ihre Fragen. Frau Künast hat mich gebeten, Ihnen folgende Antwort zu geben:
Der Contergan-Medizinskandal war die schwerste Arzneimittelkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Mit der Einführung des Beruhigungsmittels "Thalidomid" (Contergan) im Jahre 1957 kamen zwischen 1958 und 1962 contergangeschädigte Kinder zur Welt.
Die Conterganrente ist keine typische Leistung für Menschen mit Behinderungen nach dem Behindertenrecht, sondern eine Schadensersatzleistung. Das Unternehmen Grünenthal zahlte im Jahr 1971 im Rahmen eines Vergleichs eine Entschädigungssumme in Höhe von 110 Mio. D-Mark in den deutschen Contergan-Fonds ein. Mit diesem Vergleich wurde die Haftungsverpflichtung der Firma Grünenthal damals rechtlich abschließend geklärt. Seit dem Inkrafttreten des Stiftungsgesetzes am 31.10.1972 obliegt die finanzielle Gesamtverantwortung der Rentenzahlung der Bundesrepublik Deutschland. Das Unternehmen Grünenthal konnte sich mit dem erzielten Vergleich mehr als glücklich schätzen, denn heute liegen Entschädigungszahlungen in ganz anderen Bereichen. Die monatliche Rente von maximal 545 Euro aus der Contergan-Stiftung wird den heutigen Belastungen der Betroffenen nicht mehr gerecht, da viele Menschen keinen Beruf mehr ausüben können.
Die grüne Bundestagsfraktion bewertet die Rentenanpassung der Koalitionsfraktionen zwar durchaus positiv. Die Verdoppelung der Rentenbezüge ist jedoch willkürlich festgesetzt, ohne die angemessenen Hilfebedarfe der Betroffenen zu ermitteln. Daher fordern wir, unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten den angemessenen Hilfebedarf der Geschädigten zu errechen und den sich daraus ergebenen finanziellen Schadensausgleich zu erstatten.
Aus den genannten Gründen haben wir im April dieses Jahres einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Aus unserer Sicht ergibt sich für die Firma Grünenthal die moralische Verantwortung, weitere finanzielle Anstrengungen zu unternehmen, sich an den Kosten der entstandenen Folgeschädigungen der Betroffenen zu beteiligen. Den Antrag finden Sie unter der folgenden Webadresse:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/087/1608748.pdf
Aktuell versuchen wir diese Forderungen noch einmal in den Bundestag einzubringen und hoffen, dass es uns gelingt auch die Fraktionen von SPD und CDU/CSU hier mit zu nehmen. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Antworten weiter geholfen habe und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Andreas Rade
Büroleiter