Frage an Renate Künast von Christian H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Künast,
wie stehen Sie, als Mitglied im Beirat der Humanistischen Union, die sich für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt, und als Mitglied der Grünen, die ja ebenfalls vor einiger Zeit für diese Trennung eintrat, zu den folgenden beiden Themen:
1. In der Katholische Universität Eichstätt trifft ein universitätsferner Bischof Personalentscheidungen über den Kanzler der Universität, lässt diesen sogar aus dem Amt entfernen, weil der Kanzler ihm nicht katholisch genug ist. Aus meiner Sicht verstößt dies auch gegen die Antidiskriminierung aufgrund Religion, aber wieso kann sich ein Bischof in eine vom Staat dem Steuerzahler zu über 85% finanzierte Universität einmischen. Wie passt dies zur Trennung von Kirche und Staat?
2. Gesine Schwan wurde von der SPD als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt vorgeschlagen. Sie ist katholisch und der Meinung, dass Wissenschaft die Religion als Fundament benötigt. Auch hier sehe ich wieder eine Vermischung von Kirche und Staat bzw. Wissenschaft. Frau Schwan wird sich ja auch den Grünen vorgestellt haben, wenn sie von diesen gewählt werden möchte. Wissen Sie wie Frau Schwan als Katholiken zu Schwulen/Lesben und Abtreibung steht und ob Sie da auf der Linie des Papstes ist? Was ihre Einstellung zur Evolutionstheorie ist oder ob sie die christliche Schöpfungslehre (womöglich noch in der Schule gelehrt) dieser vorzieht? Dies sind für mich wichtige Fragen, nach denen ich auch beurteilen würde, ob ich jemanden zum Präsidenten wähle. Spielt die Einstellung von Frau Schwan bezgl. dieser Fragen eine Rolle ob sie von Ihnen und Ihrer Partei gewählt wird (bzw. Sie ihre Kandidatur unterstützen, die Wahl selbst ist ja geheim)?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Hoffski
(PS: die gleichen Fragen habe ich auch ihrer Partei-Kollegin Claudia Roth gestellt, aber vielleicht haben Sie ja unterschiedliche Meinungen)
Sehr geehrter Herr Hoffski,
Erlauben Sie mir zunächst einige grundsätzliche Klarstellungen:
Bündnis 90/Die Grünen sind keine christliche Partei, aber es gibt sehr viele Nähen zwischen grüner Politik und christlichen Einstellungen. Bündnis 90/Die Grünen sind die einzige Partei, die werteorientiert ist, ohne gesellschaftspolitisch reaktionär zu sein. Das wissen gerade ethisch und christlich orientierte WählerInnen zu schätzen. Wir pflegen einen kritisch-konstruktiven Dialog mit den Kirchen.Im neuen Grundsatzprogramm bekennen wir uns zur Trennung von Religion und Staat in der Form,in der sie sich in Deutschland entwickelt hat: Die erreichte Trennung ist eine grundlegende Voraussetzung für die positive Rolle von Kirchen- und anderen Religionsgemeinschaften in der Zivilgesellschaft. Ansonsten treten wir für die positive wie negative Religionsfreiheit ebenso ein wie für die Freiheit, keine Religion zu haben.
Die Vorgänge an der Uni Eichstätt lassen sich rechtlich durch das Bayern-Konkordat aus der Weimarer Republik erklären, das in Bayern nach wie vor gültig ist: es gibt der katholischen Kirche das Recht, auf die Besetzung von bestimmten Lehrstühlen Einfluß zu nehmen - und zwar nicht nur auf die Besetzung von Theologie-Lehrstühlen. Das bedeutet allerdings auch, dass unsere Handlungsmöglichkeiten auf bundespolitischer Ebene sehr beschränkt sind.
Generell hat das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren die Sonderstellung der Kirchen als Arbeitgeber bestätigt (was mit der Übernahme entsprechender Artikel der Weimarer Reichsverfassung ins Grundgesetz zusammenhängt). Deshalb sind Reformen in diesem Bereich nur mit und nicht gegen die Kirchen aussichtsreich. Zum kirchlichen Arbeitsrecht generell gilt für uns: Wir glauben nicht, dass Taufschein und eine entsprechende Lebensführung allein den christlichen Geist einer Einrichtung gewährleisten und fordern die Geltung des allgemeinen Arbeits-, Sozial- und Tarifvertrags auch in kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen. Nach wie vor sehen wir außerdem dringenden Reformbedarf bei der Kirchensteuer und der Militärseelsorge.
Zu Gesine Schwan: Die Fraktion hat tatsächlich Gesine Schwan in die gestrige Fraktionssitzung eingeladen, um sich ein Bild von ihr als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin zu machen. Die Fragen, die Sie gestellt haben, kamen dabei nicht zur Sprache. Ich sehe aber keinerlei Anlaß daran zu zweifeln, dass Prof. Gesine Schwan eine aufgeklärte Katholikin ist, die sich eindeutig zu den Menschenrechten und zur Säkularisierung bekennt. Mir ist auch keine Äußerung von ihr bekannt, die Homosexuelle diskriminiert, die Abtreibung verteufelt oder die Evolutionstheorie in Frage stellt. Die Grünen haben Frau Schwan bei ihrer letzten Kandidatur unterstützt. Das hätten wir gewiß nicht getan, hätte sie sich in einer der angesprochenen Fragen so positioniert, wie Sie es offenbar befürchten.
Mit freundlichen Grüßen,
Bettina Jarasch
Vorstandsreferentin