Frage an Renate Künast von Udo S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Künast,
seit Jahren beschäftigen mich Fragen, die unser aller Zukunft (wirtschaftlich wie sozial) betreffen. Vielleicht können Sie mir bei der Beantwortung einiger dieser Fragen behilflich sein.
Wir befinden uns derzeit in einer wirtschaftlichen Aufschwungphase, die aber nicht alle Bevölkerungsschichten erreicht, was haben diese dann bei der nächsten Rezession zu erwarten?
Seit Jahrzehnten haben wir eine stetig steigende Sockelarbeitslosigkeit. Muss nicht einmal grundsätzlich anerkannt werden, dass Vollbeschäftigung nicht mehr möglich ist, gerade, weil der technische Fortschritt und die Produktivität immer schneller wachsen und somit immer mehr Arbeitskräfte freigesetzt werden können?
Seit Jahren gibt es Initiativen, die ein bedingungsloses Grundeinkommen vorschlagen, um die derzeitigen und zukünftigen gesellschaftlichen Probleme zu lösen. In wieweit halten Sie die dort gemachten Vorschläge zur Finanzierung und Einführung für nachdenkenswert bzw. durchführbar.
Vielen Dank für Ihre Antwort
MfG
Udo Schlinske
Sehr geehrter Herr Schlinske,
ich persönlich bin ganz klar gegen ein Grundeinkommen, weil ich glaube, dass wir damit mehr Probleme schaffen als wir lösen. Unser Sozialstaat ist an vielen Punkten verbesserungsbedürftig, aber er versucht doch, den unterschiedlichen Lebenslagen von Menschen so gut es geht gerecht zu werden. Das heißt, dass diejenigen, die besondere Hilfe benötigen, diese auch bekommen sollen. Ich glaube, dass das die richtige Herangehensweise ist. Allen Bürgern ein Grundeinkommen in gleicher Höhe auszuzahlen, halte ich letztenendes für unsozial – denn diejenigen mit besonderen Benachteiligungen werden dadurch schlechter gestellt.
Ich glaube außerdem, dass für uns alle neben materieller Absicherung eine Aufgabe und soziale Anerkennung im Leben sehr wichtig sind. All das bekommen wir maßgeblich über die Arbeit. Deshalb muss der Sozialstaat in erster Linie für Arbeitsplätze und eine verlässliche Grundsicherung sorgen. Er muss dafür bessere Rahmenbedingungen setzen – durch Mindestlöhne zum Beispiel. Aber an dieser Stelle sollte die Priorität liegen.
Für die Einführung eines Grundeinkommens müssten riesige Summen bewegt werden. Ich denke, wir sollten realistisch sein und das Geld, was wir haben, in die Absicherung derer investieren, die in einer Notlage sind. Zum Konzept der grünen Grundsicherung gehören ein höherer Regelsatz, Verbesserungen bei der Betreuung von Arbeitslosen und weniger Sanktionen in den Jobcentern. Wir sind außerdem der Auffassung, dass Teilhabe in Form von Bildung für alle zu einem modernen Sozialstaat gehört – hier wollen wir viel Geld investieren!
Wir Grüne haben auf unserem Parteitag in Erfurt 2007 ausführlich über diese Themen debattiert und uns mehrheitlich für diesen Weg entschieden.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Künast