Frage an Renate Künast von Jana R. bezüglich Soziale Sicherung
Werte Frau Künast,
ich habe den Eindruck die Grünen sehen nicht die zunehmende Verarmung der Bevölkerung.
Wieso machen die Grünen keine Sozialpolitik? Sind Menschen und ihre Bedürfnisse nach finanzieller Sicherheit (die ja eine Vorraussetzung für Bevölkerungswachstum wäre) nicht auch Teil dieser Welt die ebenso schützenswert ist wie die Natur?
Wieso engagieren sich die Grünen nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen, für die Anhebung von Hartz IV auf ein menschenwürdiges Niveau, für die Absenkung des Renteneintrittsalters, für eine umfassende Gesundheitsversorgung, die Menschen nicht in Pflegeschubladen einsortiert und Zahnimplantate bald unbezahlbar macht?
Wieso engagieren sich die Grünen nicht für Stevia als gesunder kalorienfreier Zuckerersatz, wieso ist der Mindestlohn nicht wichtig genug um sich dafür einzusetzen, wieso kämpfen die Grünen nicht gegen den Trend Bildung als Ware zu vermarkten, wieso werden Raucher diskriminiert statt die Ursachen zu bekämpfen?
Wieso werden wir medial permanent unterhalb der Gürteillinie mit Sex, Klingeltönen und ähnlichen Abzockewerbungen berieselt?
Wieso ist Energie, Bahn und Festnetz-Telefon derart teuer? Diese Infrastruktur haben unsere Ahnen geschaffen, wieso wird weiterhin unsere Infrastrukur privatisiert, was regelmaessig Preisexplosionen zur Folge hat? Wieso gelangen nach all den Skandalen immernoch gefährliche Lebensmittel in den Handel?
Wieso klammern sich die Grünen an eine Partei wie die SPD die längst keine Partei des Volkes ist und warum lehnt sie die Zusammenarbeit mit den Linken ab, die sich intensiv für jene einsetzt die keine Lobby haben ?
Wieso stimmen Grüne überhaupt einem Haushalt zu der Milliarden für Waffen und Überwachung der eigenen Bevölkerung ausgibt und zeitgleich bei Arbeitslosen, Rentnern, Gesundheit und Bildung immer weniger ausgibt ?
Wieso lassen sich Grüne vor einem Merkel-Karren spannen, der für Biodiesel und Palmöl-Kraftwerke eine Verdoppelung der Vernichtung Asiatischer Regenwälder zur Folge hat ?
Sehr geehrte Frau Reichel,
herzlichen Dank für Ihre Mail, die ich gerne im Namen von Renate Künast beantworte. Bitte entschuldigen Sie die sehr späte Antwort.
Sie haben völlig Recht, dass Sozialpolitik genauso wichtig ist wie Umweltpolitik. Dass wir Grüne keine Sozialpolitik machen würden, ist falsch.
Wir lehnen eine Entwicklung ab, die Menschen dauerhaft ins gesellschaftliche Abseits drängt. Wir nehmen nicht hin, dass viele Menschen nicht oder nur unzureichend an Bildung, Arbeit, gesundheitlicher Versorgung und Einkommen sowie Mobilität teilhaben. Mit dem grünen Neuen Gesellschaftsvertrag schlagen wir deshalb einen Neuaufbruch in der Sozialpolitik vor.
Wir stimmen mit Ihnen vollkommen überein, dass mit dem jetzigen Regelsatz von 351 Euro für ALG II-BezieherInnen eine Teilhabe am soziokulturellen Leben nicht möglich ist. Deswegen wollen wir die Regelsätze für Erwachsene sofort auf zunächst 420 Euro erhöhen. Diese müssen dann regelmäßig an die tatsächlichen Lebenserhaltungskosten angepasst werden. Wir sind jedoch der Auffassung, dass die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik insgesamt reformbedürftig ist. Wir haben hierfür das Konzept der Grünen Grundsicherung entwickelt, mit der wir eine Grundabsicherung schaffen wollen, die allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll. Wir wollen die Anrechnung von Partnereinkommen abschaffen, denn diese haben dazu geführt, dass in der Mehrheit Frauen wieder vom Einkommen ihres Partners abhängig wurden. Mit einer solidarisch finanzierten Garantierente, die ab sofort eingeführt werden soll, wollen wir Ältere vor Armut zu schützen, auch jene BürgerInnen, die zusätzlich keine betriebliche oder private Vorsorge betreiben konnten. Die Garantierente muss aus Steuermitteln finanziert werden. Durch die Finanzierung via Steuern müssen auch Reiche und Gutverdienende, so wie es in anderen Ländern auch üblich ist, dafür aufkommen.
Auch bei der Gesundheitsversorgung setzen wir Grüne uns für solidarische Regelungen für alle ein. Im Gesundheitssystem wollen wir mit der grünen Bürgerversicherung alle Menschen in die solidarische Finanzierung einbeziehen und damit die 2- Klassen-Medizin abschaffen. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn wollen wir sicherstellen, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. So schaffen wir mehr Gerechtigkeit und steigern die Binnennachfrage, was auch für die Wirtschaft gut ist. Wir wollen mehr Frauen in existenzsichernde Arbeit bringen.
Abschließend beziehen Sie sich auf die Nutzung von pflanzlichen Rohstoffen für die Kraftstofferzeugung. Diese darf unter keinen Umständen zu Lasten der Nahrungsmittelsicherheit gehen. Auch dürfen für den Einsatz von Agro-Kraftstoffen weder Regenwald noch Moore vernichtet werden. Daher sagen wir Grüne ganz klar: Kein Import von Biokraftstoffen, wenn der entwicklungs- und umweltpolitische Nutzen nicht garantiert ist.
Ich hoffe, Ihnen hilft diese Antwort weiter.
Mit freundlichen Grüßen,
Janik Feuerhahn
(Referent)
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