Frage an Renate Künast von Maik L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Künast,
Ich bin 40 Jahre alt und finde in Berlin einfach keinen Job. Die Frechheiten, die sich Unternehmen als Begründung herausnehmen, bin ich schon gewohnt wie: "Sie sind zu alt"...40 Jahre und schon zu alt für´s Berufsleben??
Nun bin ich leider seit 3 Jahren ALG2-Empfänger und will da einfach raus. Es ist eine erhebliche Belastung für mich und ich weiss schon gar nicht mehr, wo ich mich bewerben soll. Dazu wird zunehmend Druck seitens der ARGE ausgeübt (Nachweis von 20 Bewerbungen im Monat...), was mich noch mehr zusätzlich belastet. Das kann und soll kein Zustand in Deutschland sein und bleiben. Mir geht es leider nicht allein so, sondern sehr vielen Menschen mit HARTZ IV. Was können Sie tun, diese Zustände zu unterbinden? HARTZ IV müsste grundlegend reformiert werden.
Hochachtungsvoll
Maik Lischke
Sehr geehrter Herr Lischke,
im Auftrag von Renate Künast danke ich Ihnen für Ihre Frage. Sie haben recht, in der Arbeitswelt grassiert ein regelrechter Jugendwahn, obwohl wir wissen, dass wir gerade auf das Potenzial der häufig gut ausgebildeten Menschen nicht verzichten können. Politik schafft keine Arbeitsplätze, aber Politik kann Rahmenbedingungen gestalten.
Arbeitslosigkeit hat viele Ursachen und braucht ebenso viele Lösungen. Fehlende Qualifikationen von Arbeitsuchenden erfordern andere Strategien als gesundheitliche Einschränkungen. Ein starker regionaler Arbeitsmarkt bietet andere Voraussetzungen als ein schwacher. Wegbrechende Arbeitsplätze in der Industrie müssen durch neue Jobs im Dienstleistungsbereich ersetzt werden. Erwerbsarbeit und Erwerbsbiografien verändern sich. Darauf müssen wir uns und unsere sozialen Sicherungssysteme einstellen. Es gibt kein Patentrezept, aber wir haben grüne Ideen für mehr Arbeit und mehr Sicherheit auch für untypische Erwerbswege. Mehr dazu auf den Seiten der grünen Fraktion: http://www.gruene-bundestag.de/cms/publikationen/dokbin/188/188078.pdf
Das Arbeitslosengeld II ist in seiner jetzigen Form mit unseren Vorstellungen von einer Grundsicherung nicht vereinbar. (Dazu ausführlich der Antrag der grünen Fraktion auf den Seiten des Deutschen Bundestages: http://www.dip1.btg/btd/16/011/1601124.pdf ).
Fünf Punkte bei Hartz IV müssen wir ändern:
1. Energie, Gesundheit, Mehrwertsteuer – alles wird teurer. Deshalb müssen auch die monatlichen Überweisungen an Hartz-IV-EmpfängerInnen entsprechend angepasst werden.
2. Kinder und Jugendliche aus hilfebedürftigen Familien dürfen nicht ausgegrenzt und benachteiligt werden. Ihnen müssen wieder fallweise Sachleistungen gewährt werden, zum Beispiel Schulbücher, Sportkurse oder Musikstunden.
3. Frauen dürfen nicht länger als „abgeleitete Wesen“ definiert werden, finanziell abhängig vom Lebenspartner. Als eigenständige Bürgerinnen mit eigenständigen Ansprüchen wollen wir sie auch eigenständig sozial absichern. Die Regelleistung muss deshalb – zunächst so weit wie möglich, perspektivisch jedoch komplett – unabhängig vom Einkommen der PartnerIn gewährt werden.
4. Die Altersvorsorge muss umfassender geschützt werden – anders ist keine verlässliche Lebensplanung möglich. Wir setzen uns für ein individuelles Altersvorsorgekonto ein, das nicht mehr zwischen unterschiedlichen Anlageformen unterscheidet. Vermögen, das der Vorsorge fürs Alter dient, muss generell von der Anrechnung auf Sozialleistungen freigestellt sein.
5. Die Zahlung einer sozialen Grundsicherung soll an die Bereitschaft geknüpft werden, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Dies kann von einer normalen Beschäftigung im gemeinwirtschaftlichen Bereich bis hin zum bürgerschaftlichen Engagement reichen. Entscheidend ist die Möglichkeit, frei zu wählen: Eigenverantwortliche Suche und Organisation bringen mehr als die Zuweisung durch die Behörden. Arbeit suchende Menschen brauchen Hilfen und keine Strafmaßnahmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Katrin Langenbein