Frage an Renate Künast von Joachim P. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Renate Künast,
Die brasilianische Gesundheitsexpertin Eloan Pinheiro hat in einem taz Interview vom 09.05.07 verdeutlicht, daß gegenwärtig noch immer z. B. ein Mittel gegen Hepatitis C weiterentwickelt, mit einem 20-Jahres-Patent versehen wird. Ist es da nicht angesichts von zwei Milliarden TB- Infizierten und neun Millionen TB- Erkrankten auf der Welt zwingend erforderlich, Staaten und Gesellschaften in Notlagen die Möglichkeit von Zwangslizenzierungen einzuräumen? Auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm soll das Patentrecht zugunsten der Konzerne "harmonisiert" werden, statt die Interessen der Armen durch internationale Zwangslizenzen zu "harmonisieren".
Fragen des Internationalen Patentrechts wurden der UN- Organisation für geistiges Eigentum (Wipo) entzogen, der Welthandelsorganisation (WTO) zugeordnet, um Sanktionen gegen Staaten zu ermöglichen. Steht das nicht eklatant im Gegensatz zum souveränen Recht der Staaten, selber in Notlagen Medikamente gegen AIDS, TB, Hepatitis u. u. zu finanzieren , selber in Lizenz zu produzieren?
Solche drängenden Weltfragen werden z. Zt. an der UNO vorbei in G 8 Events erörtert.
Die G 7 Events waren Treffen, geboren aus der Not des Kalten Krieges, da wurde über die fehlende demokratische Legitimität hinweg gesehen. Selbst Henry Kissinger warnt heute vor diesen informellen Treffen, sie können diplomatisch verhandelte Vereinbarungen nicht ersetzen. Auf welcher gesetzlichen Grundlage wird das Land Mecklenburg-Vorpommern für die Finanzierung dieses G 8 Events in Heiligendamm in Schulden getrieben? Aus welchem Bundes-Haushaltstitel werden diese G8 Treffen finanziert? Wie ist die Position der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in diesen Fragen? Und wie ist Ihre persönliche Position?
Tschüss
Joachim Petrick
Sehr geehrter Herr Petrick,
Sie haben Recht, man darf sich fragen, ob Aufwand und Ertrag von G8-Gipfeln noch in angemessenem Verhältnis stehen. Der "Club" der selbst ernannten WeltwirtschaftslenkerInnen, der Mächtigen, die in der Realität der Globalisierung längst nicht mehr so mächtig sind, bewegt weit weniger als viele vermuten.
Dazu aus einem grünen Parteitagsbeschluss vom Dezember 2006:
"Die G8 haben ein doppeltes Defizit. Ihnen fehlt es an ausreichender Legitimität und an der Möglichkeit zur Lösung der globalen Herausforderungen: Die G8 spiegeln die Machtverhältnisse von gestern wider und repräsentieren gerade mal ein Fünftel der Weltbevölkerung. Neue Akteure, besonders die aufstrebenden Mächte des Südens, China, Indien, Brasilien und Südafrika, verändern durch ihre wachsende ökonomische Bedeutung die internationale Ordnung. Als exklusiver Klub der Regierungschefs, ohne wirksame parlamentarische Kontrolle und ohne zivilgesellschaftliche Akzeptanz, treffen die G8 Entscheidungen, die in ihren Wirkungen weit über diese acht Staaten hinausgehen. Zudem können die G8-Staaten die anstehenden globalen Probleme nicht im Alleingang lösen. Der Schutz des Klimas, der Aufbau eines nachhaltigen Energiesystems oder die Stabilisierung des internationalen Finanzsystems kann ohne China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika u.a. nicht gelingen. Von den Entscheidungsprozessen der G8 sind diese aber nach wie vor ausgeschlossen.
Dennoch existiert leider derzeit keine durchsetzungsstarke Alternative zu den G8. Ohne einschneidende Reformen fehlen den Vereinten Nationen die notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten. Es gilt eine Architektur mit den Vereinten Nationen im Zentrum zu schaffen, die gleichberechtigt ökologische, soziale, menschenrechtliche und wirtschaftliche Anliegen berücksichtigt. Es braucht dazu eine doppelte Öffnung hin zur Zivilgesellschaft und hin zu den Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Debatte um eineTransformation der G8 und die Reform der Vereinten Natio-nen müssen auf eine solche neue Architektur zielen. Wir brauchen neue Politikansätze, um die Vereinten Nationen gegenüber der G8 aufzuwerten. Dafür gibt es mehrere Vorschläge: Der ehemalige kanadische Premierminister Paul Martin will die G8 durch Hinzuziehen der wichtigsten Schwellenländer auf eine G20 erweitern. Ein weiterer Vorschlag kommt vom hochrangigen Panel für systemweite Kohärenz in den Vereinten Nationen empfiehlt in seinem gerade vorgelegten Abschlussbericht ein Global Leaders Forum (L27) im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) zu schaffen. Als Governance-Forum von Staats- und Regierungschefs, das sich nach einem regionalen Verteilungsschlüssel der Vereinten Nationen im Rotationsverfahren aus 27 der 54 ECOSOC-Mitglieder zusammensetzt, soll es eine Koordinierungs- und Führungsrolle in Fragen der Wirtschaft, der Entwicklung und bei globalen öffentlichen Gütern übernehmen. Wir halten diesen Vorschlag für zielführender weil er das UN-System stärkt, und auch Entwicklungsländer in die Global Governance Strukturen einbezieht.
Wir wollen Global Governance Strukturen, die nationale Parlamente und die Zivilgesellschaft umfassend beteiligen."
Mit freundlichen Grüßen,
Katrin Langenbein