Frage an Renate Künast von Ali A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Künast,
wir ÄgypterInnen in Deutschland haben aus der Presse erfahren, dass dieBundeskanzlerin und der Wirtschaftsminister den Führer des Militärputsches in Ägypten El Sisi zum Staatsbesuch in Deutschland einluden.
Im Namen der DÄUD –Deutsch Ägyptischen Union für Demokratie- möchten wir einem solchen Staatsbesuch gänzlich widersprechen. Die Einladung kommt zu einer Zeit fortwährender Repressionen, Einschränkungen der Pressefreiheit, tagtäglicher willkürlicher Verhaftungen,Massenverurteilungen zum Tode, Tötungen auf der Straße und an Universitäten, sowie, Folter, sexueller Übergriffe, Vergewaltigungen durch Sicherheitskräfte gegen Bürger, die sich mit friedlichen Protesten gegen das Militärregime auflehnen. Die Führer des Militärputsches sind in europäischen Gerichtshöfen wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Offizielle Berichte von Human Rights Watch (HRW) belegen und dokumentieren die Ausschreitungen. Die ägyptische Justiz ist zu einem Werkzeug der Putschbehörden geworden, welches es ermöglicht, Zivilisten aller Lager zu unterdrücken, zu inhaftieren und zutöten.
Wir ÄgypterInnen in Deutschland befürworten die Ägyptische Revolution des 25. Januar 2011, schätzen die bisherige Haltung der Bundesregierung, gegen den Militärputsch, die sich zum Bespiel in einem Stopp der Waffenlieferung und einer öffentlichen Missbilligung äußerte. Die drastische Änderung der Haltung der Bundesregierung und ihrer Beziehungen zum Militär Ägyptens ist uns gänzlich unverständlich. Wir erwarten von Ihnen die Verteidigung der demokratischen und freiheitlichen Werte, die im deutschen Grundgesetz verankert sind. Wir erwarten eine gewisse Konsistenz und Kohärenz in dem Umgang mit Menschenrechten.
Wie positionieren sich die Grünen und Sie persönlich zu der Haltung der Bundesegierung?
DÄUD
Ali Alawady
Pr@icega.org
Sehr geehrter Herr Alawady,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Wir Grüne sind der Meinung, dass die Bundesregierung mit der Einladung von al-Sisi im Verhältnis mit Ägypten alle Wertmaßstäbe fallen lässt.
Zum Staatsbesuch von al-Sisi haben wir daher eine Pressemitteilung veröffentlicht ( http://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2015/maerz/grosse-koalition-laesst-im-verhaeltnis-zu-aegypten-alle-wertmassstaebe-fallen_ID_4394824.html ) und zu einem Fachgespräch eingeladen.
Seit fast zwei Jahren regiert al-Sisi, der sich die Verteidigung der revolutionären Werte auf seine Fahne geschrieben hat, bereits ohne Parlament.
Wie auch Sie beschrieben haben, ist er verantwortlich für staatliche Gewaltexzesse, freiheitseinschränkende Gesetze und Erlasse und die Repression der islamistischen Opposition, die zu deren Radikalisierung und zusätzlicher Verschärfung der Sicherheitslage in der Region führt, sowie für willkürliche Verhaftungen, oftmals tödliche Folter, alltägliche, brutale Polizeigewalt und hunderte friedliche Oppositionelle und MenschenrechtsaktivistInnen in ägyptischen Gefängnissen.
Dass die Bundesregierung al-Sisi trotz dessen Politik einlädt sowie die Negierung der Menschenrechtslage in Ägypten und die Bezeichnung von Ägypten als „Stabilitätsanker“ durch führende Politiker der Regierungskoalition, sehen wir von Bündnis 90/Die Grünen sehr kritisch. Dass die Bundesregierung nun auch von der Auflage abweicht, dass vor einem Besuch endlich Parlamentswahlen in Ägypten abgehalten werden, ist ein falsches Signal. Vielmehr notwendig ist ein öffentliches Signal für Demokratie und Menschenrechte.
Ein kleiner Nachtrag noch zum „Fall Mansour“: Ich verweise gerne auf den Bericht von tagesschau.de mit meiner Kommentierung - http://www.tagesschau.de/inland/mansour-129.html
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Künast