Frage an Renate Künast von Wolf G. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Kühn,
mit Erschrecken musste ich feststellen, wie schnell selbst die Grünen angesichts der Empörung einiger religöser Eiferer einknicken und das Kindeswohl und das Recht auf körperliche Unversehrtheit dem Recht am religiösen Wahn sang- und klanglos unterordnen. Reicht es tatsächlich, sich auf ein archaisches Ritual zu berufen, um die Ideale der Aufklärung fahren zu lassen? Welch andere mehr als fragwürdige Traditionen mögen sich nun ermutigt fühlen?
Sehr geehrter Herr Gutzmer,
Beschneidungen erfüllen zwar den Tatbestand der Körperverletzung, dennoch muss die Frage gestellt werden, ob es Rechtfertigungsgründe einschlägig sind. Im Mittelpunkt steht dabei eine Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, dem - dem Kindeswohl verpflichteten - Erziehungsrecht der Eltern und dem Recht auf Religionsfreiheit. Nach einer intensiven Diskussion ist die Mehrheit des Bundestages zu dem Entschluss gekommen, dass Eltern weiterhin eine religiösen Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst bei ihrem Sohn durchführen lassen können.
Die Beschneidung von Jungen ist für viele ein wichtiger Bestandteil des Judentums und des Islams und in wichtigen religiösen Schriften, wie der Thora oder der Sunna, festgeschrieben.
Es gibt durchaus auch innerhalb des Judentums und des Islams Diskussionen über Änderungen in der Beschneidungspraxis. Diese Reformen müssen allerdings innerhalb der Religionsgemeinschaften durchgeführt werden. Es kann und darf nicht Aufgabe des Staates sein in die Art der Religionsausübung einzugreifen.
Das Thema ist auch bei uns in der Fraktion sehr kontrovers diskutiert worden. Gewissensfragen, welche die Ethik, Moral oder religiösen Betrachtungen Einzelner betreffen, werden in unserer Fraktion nicht durch Mehrheitsbeschluss entschieden.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Künast