Frage an Renate Künast von Uwe G. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Künast,
ich habe an Sie ein paar Fragen.
1) In den vergangen Wochen/Monate wurden in Berlin Autos und Kinderwagen in Hausfluren angezündet. Des weiteren wurden in öffentlichen Verkehrsmitteln Leute Opfer von Gewalttaten. Was ist Ihr Konzept das so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen?
2) Der Volksentscheid zur Senkung der Wasserpreise war ja positiv. Das Kartellamt hat ja festgestellt das die Wasserpreise in Berlin zu hoch sind. Was wollen Sie Unternehmen damit die Wasserpreise in Berlin schnellst möglich sinken ?
3) Die Beamten in Berlin haben ja in den letzten Jahren mitgeholfen den Haushalt zu konsolidieren. Ihnen wurde das 13 Monatsgehalt/Weihnachtsgeld auf 600€ zusammengestrichen und das Urlaubsgeld ganz gestrichen. Für 2010 und 2011 haben Sie insgesamt 3% Gehaltserhöhung bekommen. Ganz zu schweigen von der Kostendämpfungspauschale. Wann werden die Beamten im Gehalt den Bundesdurchschnitt angepasst, bzw. mind. den Land Brandenburg was meiner Recherche nach vorletzte in der Besoldung sind, angepasst. ( bitte ohne Hinweis auf die Haushaltslage bzw. Unkündbar von beiden kann ich mir nichts kaufen, der Senat hat sich ca. 9% die Diäten erhöht )
4) Was wollen Sie unternehmen damit die Mieten in Berlin auch weiterhin bezahlbar bleiben ?
5) Was sind Ihre Pläne damit die Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinander driftet?
Mit freundlichen Grüßen
U. Günther Beamter, verheiratet, Alleinverdiener und laut dem statistischen Bundesamt der Mittelschicht angehörend.
Sehr geehrter Herr Günther,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworte.
1) Zu ihrer ersten Frage: Brandstiftung an Autos und Kinderwagen akzeptieren und tolerieren wir nicht. Wir verurteilen, dass die Täter mit Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Menschen spielen.
Allerdings rächt sich jetzt, dass SPD und Linke den Polizeivollzug jahrelang geschwächt haben. Wir fordern, mehr Polizistinnen und Polizisten auf den Bürgersteig. Berlin braucht endlich eine Personalplanung, die es uns in Zusammenarbeit mit der Polizei bei Nachbesetzungen durch die demographische Entwicklung ermöglicht, langfristig dafür zu sorgen, dass mehr Polizistinnen und Polizisten im Vollzugsdienst eingesetzt werden als in der Polizeiverwaltung. Unser Leitbild ist eine bürgernahe Polizei.
2) Zu den Berliner Wasserpreisen: Berlin schwimmt im Wasser. Man sollte meinen, dass die Wasserversorgung deshalb in Berlin billiger sein müsste als überall sonst in Deutschland. Doch weit gefehlt. Das Bundeskartellamt stellt fest, dass die Wasserpreise höher sind als fast überall sonst.
Rekommunalisierung ist kein Selbstzweck. Mindestens sollten niedrigere Wasserpreise und eine umweltbewusstere Investitionstätigkeit dabei herauskommen. Jeder Rückkauf setzt aber die Bereitschaft der damaligen Käufer voraus, sich wieder von ihren Unternehmensanteilen zu trennen. Bei Veolia ist diese Bedingung bislang nicht gegeben. RWE hat angeboten, über einen möglichen Verkauf zu verhandeln. Der Rückkauf der RWE-Anteile macht jedoch nur Sinn, wenn zugleich mit Veolia eine Änderung des Konzessionsvertrags erreicht werden kann. Der Kaufpreis kann nicht aus dem Haushalt aufgebracht werden. Als Ausweg bleibt nur das Modell der „Heuschreckenfinanzierung“, wie sie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beschreibt: Der Kauf der Wasserbetriebe auf Kredit muss „aus der Rendite des Unternehmens finanziert werden“. Rund 130 Millionen Euro - der aktuelle Gewinnanteil der Privaten - stünden für die Refinanzierung des Rückkaufs und die Senkung der Wasserpreise zur Verfügung. Läge der Preis für den Rückkauf in der Höhe des 1999 erzielten Verkaufspreises von 1,8 Milliarden Euro, müssten für 3,5 Prozent Zins und 2 Prozent Tilgung ca. 100 Millionen Euro jährlich aufgebracht werden. 30 Millionen Euro blieben übrig für die Senkung der Preise. Das ist zu wenig für eine durchgreifende Wasserpreissenkung.
Andersherum: Die vom Bundeskartellamt angemahnte Senkung der Preise um 25 Prozent würde den Gewinn der Berliner Wasserbetriebe um mehr als 100 Millionen Euro mindern. Hätte eine solche Preissenkung vor den Gerichten Bestand, würde eine Rekommunalisierung zum Kaufpreis von 1999 für die öffentliche Hand zum Verlustgeschäft. Die Konsequenz ist: Ein Rückkauf der Anteile setzt Klarheit über den Ausgang des Kartellverfahrens voraus. Denn davon hängen die in Zukunft noch möglichen Gewinne der Wasserbetriebe ab, die entscheidende Stellgröße für den fairen Wert der Gesellschaftsanteile von RWE und Veolia.
Aktuell lässt sich bereits sagen: Die Forderung des RWE-Konzerns, für seine Anteile 800 Millionen Euro zu erhalten, ist eindeutig zu hoch. Auch wenn niemand allwissend in die Zukunft sehen kann, deuten doch alle gebühren- und preisrechtlichen Anzeichen darauf hin, dass eine Wasserpreissenkung von mindestens 15 Prozent unvermeidlich sein wird und die damit verbundene Gewinnminderung sich in einem möglichen Rückkauf der RWE Anteile widerspiegeln muss.
3) Ihre dritte Frage kann ich knapp beantworten: Wir streben bis 2017 eine Angleichung der Gehälter an das Bundesniveau an (also den Durchschnitt der Bundesländer).
4) Unsere Wohnungspolitik setzt auf die Ausschöpfung landesrechtlicher Möglichkeiten sowie Änderungen im Mietrecht auf Bundesebene. Die Berliner Grünen haben gemeinsam mit der Bundestagsfraktion einen weitreichenden Katalog von Änderungsvorschlägen zum Mietrecht erarbeitet. Dazu zählt eine Reduzierung der Kappungsgrenze für dreijährlich mögliche Steigerungen bis zur Vergleichsmiete von 20 auf 15 Prozent ebenso wie eine Wiedervermietungsregelung, die neue Verträge in das Mietspiegelsystem einbinden soll. Die sogenannte Modernisierungsumlage (11 Prozent) wollen wir auf 9 Prozentabsenken; sie soll nur noch für energetische Vorhaben und Barrierefreiheit gelten. Neue Balkone, Einbauküchen oder auch Luxusmodernisierungen dürfen nicht mehr zwangsweise umlegbar sein.
5) Zu ihrer fünften Frage: Wer Vollzeit arbeitet muss von seinem Lohn leben können. Um gute und faire Arbeit für alle zu ermöglichen und allen Berufstätigen soziale und kulturelle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sichern, müssen das Anwachsen des Niedriglohnsektors und die Lohnspirale nach unten gestoppt werden. Deshalb werden wir uns weiterhin auf Bundesebene für einen existenzsichernden Mindestlohn, einsetzen. Unser Ziel ist es 100.000 neue, zukunftsfeste Arbeitsplätze für Berlin schaffen und damit auch eine Reduzierung der Erwerbslosigkeit zu erreichen ( http://gruene-berlin.de/sites/default/files/100000_neue_jobs.pdf )
Niedriger Qualifikation von Erwerbslosen und mangelnder Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen wollen wir in Kooperation mit der Berliner Wirtschaft mit Qualifizierungs- und Ausbildungsinitiativen begegnen.
Auch die Gewerkschaften und die Tarifvertragsparteien können und müssen ihren Beitrag leisten, u.a. gilt es, in Tarifverträgen armutsfeste Löhne und Gehälter zu vereinbaren. Deren Höhe muss so bemessen sein, dass zumindest bei Vollzeitbeschäftigung das Existenzminimum aus eigenem Erwerbseinkommen gesichert werden kann.
Die Steigerung des Bildungs- und Qualifizierungsniveaus bei jungen und älteren Menschen muss ein zentrales Ziel der Berliner Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik sein. Dazu müssen die Tätigkeitsfelder, in denen künftig Arbeitskräfte gesucht werden, rechtzeitig identifiziert werden. Darauf muss die Ausbildungs- und Weiterbildungspolitik ausgerichtet werden. Hierzu ist eine enge Zusammenarbeit von Senat mit den Kammern und der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit erforderlich.
Mit freundlichen Grüßen,
Renate Künast