Frage an Renate Künast von Holger K. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Künast,
täusche ich mich, wenn ich den Eindruck habe, daß der Antrag Ihrer Bundestagsfraktion zum Sorgerecht unverheirateter Eltern eine Konsolidierung derzeitiger Verhältnisse darstellt? Einen Antrag stellen und eine Klage beim Familengericht einreichen kann man ja auch jetzt. Nur leider erfolglos. Es fehlt bisher und auch leider in Ihrem Antrag ein durchsetzbarer Anspruch auf das Sorgerecht, solange nichts dagegen spricht. Es wird weiter von einem wohlwollend zuteilbaren, aber auch verweigerbaren Almosen ausgegangen.
Es würde mich auch interessieren, weshalb Ihr Antrag von einer potenziellen Gefährdung von Mutter und Kind (also logisch von der Gefahrenquelle Vater) spricht. Beziehen Sie sich dabei auf belegbare soziologische Daten?
Ich halte dies nicht für ein Detail, sondern für ein Symptom des Grundverständisses Ihrer Partei in Bezug auf Gleichberechtigung und Menschrenrechte. Vielleicht könnten Sie erklären, wie die Überzeugungen dazu aussehen, damit man weiß, wen man wählen soll. Vielen DanK!
Mit freundlichen Grüßen
H. Klinke, Berlin
Sehr geehrter Herr Klinke,
vielen Dank für Ihre Frage zum Sorgerecht. Bitte entschuldigen Sie zunächst die verspätete Beantwortung Ihrer Frage.
Der Antrag unserer Fraktion zur Reform des Sorgerechts ist keine Konsolidierung bisheriger Verhältnisse, denn er räumt dem Vater des Kindes deutlich mehr Rechte als zuvor ein. Seit der Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sah das Gesetz vor, dass nicht verheiratete Eltern das gemeinsame Sorgerecht nur dann erhalten können, wenn die Eltern entweder erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärung) oder einander heiraten. Ansonsten hatte die Mutter die elterliche Sorge inne (§1626a BGB). Der Vater hatte keine Möglichkeit, das gem. Sorgerecht gegen den Willen der Mutter zu erhalten, auch wenn dies möglicherweise dem Kindeswohl entspricht.
Wir Grüne wollen ein modernes Sorgerecht. Deswegen sollen Vater und Mutter gleichberechtigt behandelt werden. Kinder sollten ein Recht darauf haben, dass beide Eltern für sie die Verantwortung übernehmen, die sich auch im Sorgerecht ausdrückt. Alle Väter, die sorgerechtliche Verantwortung für ihr Kind übernehmen wollen, sollen diese unter vergleichbaren Bedingungen erhalten können.
Ein Vater soll zukünftig jederzeit ab Anerkennung der Vaterschaft beim Jugendamt die gemeinsame Sorge beantragen können. Das Jugendamt erteilt sie, wenn die Mutter dem nicht widerspricht oder dem Jugendamt keine kindeswohlgefährdende Aspekte bekannt sind. Die Mutter soll acht Wochen Zeit haben, dem Anliegen des Vaters zu widersprechen. Wenn die Mutter widerspricht, erhält der Vater die gemeinsame Sorge im "Jugendamtsverfahren" nicht. Er kann dann jedoch einen Antrag beim Familiengericht stellen.
Auch die Mutter soll umgekehrt die Möglichkeit bekommen, beim Jugendamt zu beantragen, dass der Vater mit ihr gemeinsam die elterliche Verantwortung wahrnimmt.
Unser Ziel ist es, Konflikte um die elterliche Verantwortung gar nicht erst entstehen zu lassen. Sollten sie jedoch entstehen, muss der gesetzliche Rahmen so gestaltet sein, dass Information, Beratung und gegebenenfalls Mediation deeskalierend wirken. Hier ist uns die Nähe zum Jugendamt, das über Beratungsangebote und Mediation informieren soll, als Unterstützung für Konflikte im Anfangsstadium besonders wichtig.
Wir Grünen begrüßen es, dass die neue gesetzliche Regelung zum Sorgerecht sich am Modell der grünen Bundestagsfraktion orientiert. Die Neuregelung gilt seit dem 20.05.2013. Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, sollen beide Eltern Verantwortung für das Kind übernehmen. Leider bleibt im jetzigen Gesetz der Bundesregierung die von uns für wesentlich erachtete Stärkung von Beratung und Mediationsverfahren beim Jugendamt außen vor. Ebenso sollte bei der Evaluierung des neuen Gesetzes geprüft werden, ob eine Antragstellung beim Familiengericht nicht eine zu hohe Hürde darstellt oder ob das Jugendamt für die Antragstellung nicht der geeignetere Ort ist. Ebenso kritisch sollte der Frage nachgegangen werden, ob die Frist von sechs Wochen, innerhalb derer die Mutter widersprechen kann, angemessen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Team Renate Künast