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Renate Künast
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Frage von Friedrich O. •

Frage an Renate Künast von Friedrich O. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Künast,

ich bin leider etwas irritiert. Sowohl in dem Diskussion der Oppositionspolitiker als auch in der heutigen Ausgabe von Bild-Online werden Sie, bzw. Ihr Kollege Jürgen Trittin, wie folgt zitiert:

"Mindestlohn spart Geld, weil wir keine Hartz-IV-Aufstocker mehr haben."

Nun ist es jedoch so, dass ein Großteil der Hartz-IV-Aufstocker a) nicht Vollzeit arbeitet und b) 2/3 aller Hartz-Aufstocker bereits heute 7,50 EUR / Stunde oder mehr verdienen, jedoch ergänzendes Hartz IV bekommen, weil sie eine große Bedarfsgemeinschaft zu versorgen haben haben.

Nach Angaben des DIW bekommen würden nur etwa 10% aller Hartz IV-Aufstocker von einem Mindestlohn von 7,50 EUR / Stunde tatsächlich profitieren. 50% der vollzeitbeschäftigten Aufstocker bekommen sogar heute 9,00 EUR oder mehr pro Stunde.

http://www.rbb-online.de/kontraste/beitrag/2008/falsche_zahlen_bei.html

Inwiefern rechnen Sie daher mit tatsächlichen Einsparungen bei ergänzenden Hartz IV-Leistungen im Falle der Einführung eines einheitlichen Mindestlohns? Sehen Sie nicht gerade in den wirtschaftsschwachen Regionen zusätzlich die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten?

Mit freundlichen Grüßen

Friedrich Ohnesorge

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Ohnesorge,
 
vielen Dank für Ihre Frage. Sie beschreiben den Zusammenhang zwischen Mindestlöhnen und ALG II-Bezug sehr richtig. Allerdings gibt es zur Anzahl der betroffenen ALG II-Bezieher, die Vollzeit arbeiten und einen sehr geringen Stundenlohn erhalten, unterschiedliche Einschätzungen und entsprechende Einsparmöglichkeiten. Beispielsweise hat eine Studie des DGB die Einsparpotenziale auf 2 Mrd. Euro p.a. angesetzt also eine große Summe. Über das Argument der Einsparung hinausgehend, finden wir einen Mindestlohn aber ein wichtiges Zeichen. Niemand soll für weniger Geld arbeiten müssen, das ist eine Frage der Würde.
 
Der Übergang von einer geringfügigen Beschäftigung mit Aufstockung zu einer selbsttragenden Beschäftigung ist nicht ganz einfach zu gestalten. Wir Grüne setzen uns z.B. dafür ein, dass ALG II-Bezieher von einem Zuverdienst bis 400 Euro monatlich mindestens 50% behalten dürfen, so dass sich Arbeit für sie mehr lohnt. Generell wollen wir aber möglichst viele Menschen aus dem aufstockenden Bezug von ALG II heraushalten. Dazu setzen wir vor allem auf unser Progressivmodell. Dabei werden Einkommen bis 2000 Euro monatlich von den Sozialbeiträgen schrittweise entlastet. Damit bleibt den Arbeitnehmerinnen mehr netto vom brutto übrig und sie müssen erst gar nicht Aufstocken. Das hilft auch Familien, die ihren höheren Bedarf nur schwierig aus dem eigenen Einkommen decken können. Dann erhalten die Menschen auch ein Stück Würde zurück, da sie sich nicht der regiden Bedarfsprüfung unterziehen müssten.
 
Ich hoffe, die Antwort hat Ihnen weitergeholfen.  
 
Mit freundlichen Grüßen
Renate Künast

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