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Renate Künast
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Frage von René V. •

Frage an Renate Künast von René V. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Vergangenheit las ich Berichte über Kinder, die in der Bundesrepublik Deutschland Opfer von Gewalttaten kirchlicher Angehöriger wurden. Hierbei kam es z.B. zum Missbrauch durch Priester oder sexuellen gewalttätigen Übergriffen in kirchlichen Heimen. Höchst erschreckend für mich war insbesondere, dass es sich hierbei um tausende Opfer handeln solle.
In einem Internetartikel aus dem Jahr 2008 wurde dann auf die Einrichtung eines Runden Tisches hingewiesen.
Warum dauerte es zwei Jahre, um diesen Runden Tisch einzurichten? Warum nennt man diesen Zeitraum die Zeit der “schwarzen Pädagogik”.
Wenn hier Verbrechen stattgefunden haben, warum wird das Wort “Verbrechen“ fast nie genannt?
Warum spielt diese Zeit bei der Aufarbeitung des 60. Jahrestages der Bundesrepublik Deutschland gar keine Rolle?
Hinweis, diese Anfrage richte ich an jede im Bundestag vertretene Fraktion.
Für ihre Antwort bedanke ich mich im voraus.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Vogt,

es ist richtig, dass Kinder in Kinderheimen der 50er und 60er Jahre seelisch und körperlich misshandelt wurden. Die Betroffenen beschreiben Strafsysteme mit Arrestzellen, Überwachung rund um die Uhr. Sie erzählen, dass ihre Schulbildung zu Gunsten von Arbeitseinsätzen vernachlässigt wurde. Einzelne wurden auch sexuell misshandelt. Viele leiden noch heute unter dem Erlebten. Manche sind traumatisiert und brauchen professionelle Hilfe. Nicht alle dieser Vorfälle gehen auf das Konto kirchlicher Einrichtung, wie Sie vermuten, aber sehr viele: 80% der Einrichtungen wurden in der Verantwortung der christlichen Kirchen betrieben.

Der Begriff schwarze Pädagogik bezieht sich nicht nur auf diesen Zeitraum. „Unter der ‚Schwarzen Pädagogik‘ verstehe ich eine Erziehung, die darauf ausgerichtet ist, den Willen des Kindes zu brechen, es mit Hilfe der offenen oder verborgenen Machtausübung, Manipulation und Erpressung zum gehorsamen Untertan zu machen.“ Alice Miller

Ehemalige Heimkinder haben 2006 Petitionen an den deutschen Bundestag gerichtet. Darin fordern sie Aufklärung, Entschuldigung und Entschädigung für die Opfer. Der Petitionsausschuss des Bundestages hat sich darauf hin lange und gründlich mit dem Thema befasst, am Ende der Beratungen im November 2008 stand der Beschluss des Bundestages, einen runden Tisch einzurichten. Die grüne Bundestagsfraktion hat die Anliegen der ehemaligen Heimkinder unterstützt. Wir haben im April 2007 einen eigenen Beschluss gefasst und mein Kollege Josef Winkler hat sich im PET-Ausschuss sehr für die Sache der Heimkinder eingesetzt. Jetzt hat der Runde Tisch seine Arbeit aufgenommen. Die ehemalige grüne Vizepräsidentin des Bundestages, Dr. Antje Vollmer, hat den Vorsitz übernommen.

Wir Grüne fordern, dass der runde Tisch über eine Entschädigung für die Betroffenen beraten muss. Wir sind davon überzeugt, dass eine Stiftung eingerichtet werden sollte. Alle ehemaligen Träger, insbesondere Kirchen, Bund und Länder müssen in diese Stiftung einzahlen. Das gilt auch für die Unternehmen, die die Heimkinder als billige Arbeitskräfte missbraucht haben. Wir hoffen, dass der runde Tisch sich zügig auf eine Entschädigung einigen wird, denn viele Betroffenen sind im Rentenalter und können nicht mehr lange darauf warten.

Mit freundlichen Grüßen

Renate Künast

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