Renate Jürgens-Pieper
SPD
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Frage von Gerd W. •

Frage an Renate Jürgens-Pieper von Gerd W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Jürgens-Pieper,

zentrales Anliegen der Bremer Politik ist die Umsetzung des Gender Mainstreaming.

Hier besteht bei sehr vielen Bürgerinnen und Bürger die Unsicherheit, über welchen Mechanismus eine weitgehende Betrachtung der unterschiedlichen Wirklichkeiten der Bürgerinnen und Bürger deren Gleichstellung bzw. Chancengleichheit dienlich ist.

Dieser Mechanismus soll ja bei allen (!) staatlichen Vorhaben etc. angewandt werden. Wie verstehen Sie denn das Paar unterschiedliche Wirklichkeiten - Gleichstellung?

Ich würde sagen, dass ich nun nicht mehr zur Wahl zu gehen brauche, da die Politik ja sowieso meine Wirklichkeit immer berücksichtigt, oder?

Können Sie dies als Bürgerschaftskandidatin einmal erklären?

Vielen Dank

Gerd Windoff

Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Windoff,

ich möchte Sie bitten, Ihr Wahlrecht wahrzunehmen und damit Ihre Position bei der Wahl einer Partei deutlich zu machen. Freuen würde ich mich, wenn Sie sich für die Wahl der SPD entscheiden.

Nun zu Ihrer Frage:

Die Zugehörigkeit zum weiblichen oder männlichen Geschlecht ist noch immer eine der prägendsten und bedeutsamsten gesellschaftlichen Unterscheidungen. Denn das Leben von Frauen und Männern weist in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens große Unterschiede auf, ohne dass dies immer bewusst wäre. Ich möchte Ihnen dies gerne am Thema „Bildung“ verdeutlichen: Mädchen haben heutzutage die besseren und höheren Schulabschlüsse als Jungen. Die Bildungschancen von Mädchen und Jungen variieren derzeit allerdings innerhalb der Geschlechtergruppen vor allem nach Schichtzugehörigkeit und nach nationaler bzw. ethnischer Zugehörigkeit. Jungen mit Migrationshintergrund aus einer bildungsschwachen Familie haben die geringsten Chancen im deutschen Bildungssystem
Beim Berufswahlverhalten zeigt sich weiterhin ein sehr große Diskrepanz: Über 50 Prozent der Mädchen und jungen Frauen wählen vor allem Dienstleistungsberufe mit eher geringen Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, wie Verkäuferin, Arzthelferin und Friseurin. Jungen wählen selbstverständlicher unter einem breiteren Berufsspektrum aus, bevorzugen aber gewerblich-technische Berufe. Obwohl der Frauen- und Männeranteil an den Hochschulen fast ausgeglichen ist, verteilt sich auch hier die Studienwahl unterschiedlich: Junge Frauen bevorzugen Fächer wie Sprachen, Pädagogik und Psychologie - und zunehmend auch Jura und BWL -, während junge Männer vorwiegend naturwissenschaftliche und technische Fächer wählen
Diese Art der Berufswahl hat Auswirkungen auf Beschäftigungsmöglichkeiten, Verdienst, berufliches Fortkommen und auf das gesellschaftliche Ansehen. Oftmals werden mit der Berufswahl bereits die Weichen für spätere "Armutskarrieren" gestellt: Mädchen und Frauen begreifen ihre Berufstätigkeit lediglich als "Zuverdienst" und sind eher bereit, ihren Beruf zugunsten der Familienarbeit einzuschränken, zu unterbrechen oder sogar ganz aufzugeben - mit entsprechenden Folgen für ihre ökonomische Unabhängigkeit, ihre Altersversorgung und das Familieneinkommen.
All dies führt zu ungleichen Bewertungen von Lebens- und Erfahrungswelten von Männern und Frauen, die auf stereotypen Vorstellungen von "weiblichem" und "männlichem" Verhalten beruhen. Die Durchsetzung einer tatsächlichen Gleichstellung hat dagegen zum Ziel, junge Menschen in ihren vielfältigen Lebenslagen zu fördern.
Deshalb ist es ein Ziel unserer Politik, Gender Mainstreaming in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu implementieren.

Mit freundlichen Grüßen

Renate Jürgens-Pieper