Frage an Renate Gradistanac von Wolfgang U. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Gradistanac,
Im Jahr 1998 wurde das Kindschaftsrecht erneuert, allerdings nicht in der Form, derer es bedurft hätte. Bislang haben z. B. Väter nichtehelicher Kinder keinerlei rechtliche Möglichkeit sich Zugang zur Erziehung ihrer Kinder zu verschaffen (Regelfall), sofern die Mutter dem Umgang nicht zustimmt oder nur zu besonderen "Konditionen"(leider oft Regelfall). Dies ist selbst dann so, wenn die Kindesmutter sich nicht ausreichend um den Nachwuchs kümmert oder, genügend belegt durch endlose Berichte über alleinerziehende Mütter, permanent überfordert ist. Jugendämter haben, das zeigt die Erfahrung, nachweislich kein Interesse sich wirklich zum Wohle des Kindes einzusetzen. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass selbst bei ehelichen Kindern nach der Trennung der Eltern und gemeinsamem Sorgerecht dies bei Verweigerung durch die Kindsmutter weder durch das Jugendamt noch bei Beschreiten des Rechtsweges durch den Kindsvater dieses durchgesetzt wird. Kinder haben immer 2 Elternteile! Das sollte in einem vernünftigen Kindschaftsrecht selbstverständlich sein und bedeutet, dass der Umgang durch den nicht mit dem Kind zusammenlebenden Elternteil generell festgeschrieben und darüber hinaus durchsetzbar sein muss (ggf. unter Strafandrohung gegen den vereitelnden Elternteil). Die bisherige Gesetzeslage und Rechtssprechung fußt auf einem Rollenbild von Mann und Frau, das hoffnungslos tradiert ist!!! Immer mehr Männer übernehmen Verantwortung in der Erziehung bzw. der Familie bzw. kämpfen sogar darum. Die Reform des geltenden Rechts im Sinne einer nicht abweisbaren Verantwortung beider Elternteile für das Kind , egal welchen Familienstatus diese haben, ist überfällig. Beispiele moderner Gesetzesgestaltung sind im benachbarten Ausland leicht zu finden. lch als Betroffener möchte als Hilfe für meine Wahlentscheidung wissen, welche Position Sie in dieser Sache vertreten, und in welcher Weise die SPD sich zuk. für eine Reform des Kindschaftsrechts einsetzt.
Sehr geehrter Herr Ulmer,
für mich als Familienpolitikerin steht beim Kindschaftsrecht immer das Kindeswohl im Mittelpunkt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Regelung in seinem Urteil vom 29. Januar 2003 im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt. Es hat jedoch festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die gesetzlichen Annahmen auch vor der Wirklichkeit Bestand haben. Zu diesen Annahmen gehört, dass eine Mutter, die mit dem Vater und dem Kind zusammenlebt und gleichwohl keine Sorgeerklärungen abgeben will, dafür schwerwiegende Gründe hat, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden. Dem Beobachtungsauftrag ist die SPD-Bundestagsfraktion durch eine Expertenanhörung nachgekommen.
Der Vergleich mit anderen Rechtsordnungen ergab, dass wir bei der Erlangung der gemeinsamen Sorge für Nichtverheiratete im europäischen Vergleich mit die höchste Hürde errichtet haben. Viele europäische Nachbarstaaten gewähren nicht verheirateten Eltern die gemeinsame Sorge unabhängig vom Familienstand. In einigen Fällen ist die gemeinsame Sorge an das Zusammenleben der Eltern geknüpft.
Aufgrund der vielfältigen Kritik an § 1626 a BGB haben wir die Anhörung auch zum Anlass genommen zu erörtern, ob die Regelung politisch weiterhin wünschenswert ist. Von der Diskussion umfasst war auch die Regelung des § 1672 Abs. 1 BGB, wonach auch die Übertragung der Alleinsorge von der Mutter auf den Vater ihrer Zustimmung bedarf. Die große Mehrheit der Sachverständigen forderte Korrekturen bei der gemeinsamen Sorge nicht verheirateter Eltern.
Wir werden auch zukünftig intensiv prüfen, ob eine Änderung des Rechts der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern sinnvoll ist.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Gradistanac