Frage an Reinhard Grindel von Saskia K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Grindel,
ich gehe in die neunte Klasse des Domgymnasiums Verden und wir diskutieren gerade im Politik-Unterricht das Thema über das Gesetz für das Verbot von Tätowierungen und Piercings bei Minderjährigen.
Ich wollte Sie gerne fragen, wie ihre Meinung dazu ist und ob sie für das Verbot sind oder eher dagegen.
Außerdem würde ich gerne wissen ob sie bei dem Verbot von Schönheitsoperationen bei Minderjährigen auch Ausnahmen machen würden, wie zum Beispiel bei Ausnahe- und Extremfällen.
Vielen dank schon im Vorraus,
mit freundlichen Grüßen
Saskia Küster
Liebe Saskia,
vielen Dank für Deine Frage. Wie Du mit Sicherheit mitbekommen hast, diskutieren wir im Deutschen Bundestag darüber, wie man die zahlreichen Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt vehindern kann. Unter anderem geht es um die Frage, ob man ein Verbot von Schönheitseingriffen bei Minderjährigen vornehmen sollte. Die Abgeordneten der CDU sind gegen ein grundsätzliches Verbot. Für uns geht es darum zu überlegen, ob für Minderjährige nur diejenigen Eingriffe verboten werden sollten, für die es keine medizinische Notwendigkeit gibt.
Die Schwierigkeit bei dieser Frage ist allerdings, die Grenze zwischen „medizinischen“ und deshalb „notwendigen“ und „nicht medizinischen“ und deshalb „nicht notwendigen“ Eingriffen zu ziehen. Wenn ein Eingriff aus rein medizinischen Gründen nötig ist, sollte es keine Zweifel geben – z. B. wenn eine junge Frau bei einem Unfall im Gesicht äußerlich verletzt wird. Es gibt allerdings viele Fälle, die nicht auf die rein medizinische Begründung zurückgreifen, zum Beispiel der Wunsch einer jungen Frau, sich die Nase nach dem Vorbild einer prominenten Persönlichkeit operieren zu lassen. Einerseits liegt bei diesem Beispiel keine Notwendikeit des Eingriffs aus rein medizinischen Gründen vor. Man würde also vorerst diesen Eingriff für „nicht notwendig“ erachten. Andererseits darf nicht vernachlässigt werden, dass Jugendliche mit solchen Wünschen unter einem enormen inneren Druck stehen und darunter leiden, dass sie mit ihrem Aussehen nicht dem übertriebenen Schönheitsideal entsprechen. Dieser Druck kann so groß werden, dass er zum psychischen Leiden wird. Die Grenzen sind also nicht ganz eindeutig und die Einstufung in „notwendig“ und „nicht notwendig“ nicht ganz einfach zu überprüfen.
Bei Minderjährigen ist eine Entscheidung zur Schönheits-OP aus folgenden Gründen ganz besonders problematisch:
1.Der Körper eines Menschen unter 18 Jahren befindet sich noch im Wachstum. Eine operative Veränderung am Körper kann schon ein oder zwei Jahre später, wenn der Körper ausgebildet ist, völlig überflüssig sein.
2.Kinder und Jugendliche können in ihrem Alter nicht immer die gesundheitlichen Gefahren einschätzen, die mit dem Eingriff verbundenen sind. Wie sollen so junge Menschen etwas richtig einschätzen können, wozu nicht einmal viele Erwachsene in der Lage sind?
3.Die Folgen eines operativen Eingriffs können sehr negativ ausfallen und schwer zu ertragen sein. In einem solchen Fall bedeutet das für Minderjährige eine große psychische Belastung. Die Folgen eines mißglückten Eingriffs könnten eventuell nur schwer oder überhaupt nicht verarbeitet werden.
Natürlich darf man nicht vergessen, dass die Eltern bisher bei so einer Entscheidung mitzureden haben und dem Eingriff ihrer unter 18-jährigen Kindern zustimmen müssen. Allerdings ist es so, dass die Folgen eines schönheitschirurgischen Eingriffs nicht einmal für die Erwachsenen absehbar sind und deshalb nicht mit Sicherheit abgeschätzt werden können. Viele Eltern fühlen sich bei dieser Problematik allein gelassen, haben nicht ausreichend Informationen und geraten oft mit ihren Kindern zu nicht ausreichend qualifizierten Ärzten.
Aus den genannten Gründen ist es sehr wichtig, Kinder und die Jugendliche unter 18 Jahren zu schützen und auch den Eltern entsprechenden Rückhalt zu geben, indem man ernsthaft über ein mögliches Verbot nachdenkt. Momentan laufen Beratungen zu diesem Thema, d. h. die Abgeordneten sprechen über dieses Thema mit Experten (Ärzten, Verbänden usw.) und Betroffenen und wiegen alle Vor- und Nachteile eines Verbotes ab, bevor die endgültige Entscheidung getroffen wird. Wenn es zu einem Verbot kommt, wird in jedem Fall auf die sogenannten Ausnahmefälle, also „notwendige“ Eingriffe, Rücksicht genommen.
Die Tätowierungen und Piercings (hierzu zählt auch das Stechen von Ohrlöchern) bei Minderjährigen sollten kritisch betrachtet werden, auch hier gibt es gesundheitliche Schäden und Probleme, die von den Ärtzen angesprochen werden. Allerdings sollten Tattoos und Piercings nicht mit den Schönheitsoperationen gleichgesetzt werden. Im Unterschied zu Tattoos und Piersings haben wir es bei den mißglückten Schönheits-OPs mit weitreichenden Schäden bis hin zu psychischen Leiden zu tun. Diese möglichen Schäden sind für die Eltern nicht absehbar und deshalb nicht einschätzbar, deshalb sieht der Staat an dieser Stelle Handlungsbedarf. Bei Tätowierungen und Piercings sind die möglichen Konsequenzen für die Eltern weitgehend erfassbar. Aus diesem Grund sollte sich meiner Meinung nach der Staat hier etwas zurückhalten und nicht in die Verantwortung der Eltern eingreifen. Etwas anderes gilt für die Fälle, in denen als Folge von Piercings und Tätowierungen gesundheitliche Schäden entstehen. Diese werden von den Krankenkassen nicht mehr erstattet, und das halte ich auch für richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Grindel MdB