Warum werden freiwillig Versicherte in der KK im Vorruhestand weiter als freiwillig Versicherte behandelt, obwohl die Bezüge deutlich unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen?
Ich bin Vorruheständler u. war jahrelang freiw. in der ges. Krankenk. versichert. Durch meine Vorruhestandsregelung bin ich unter die Beitragesbem.grenze (BMG) gerutscht, werde von der KK aber weiterhin wie eine freiw. Vers. behandelt. Dies hat zur Folge, daß alle meine Einnahmen bis zur BMG mit Krankenkassenbeiträge belegt sind, die von mir ALLEIN zu entrichten sind. Mit u.a. negativen Folgen für meine private Altersvorsorge (Zinsen usw.) Aus meiner Sicht widerspr. dies dem Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 GG). Eine Person, die wie ich ein Vorruhestandsgehalt in gleicher Höhe bezieht, vorher aber pflichtvers. war, ist weiterhin pflichtvers. u. muss für keine weiteren Einnahmen KK-Beiträge entrichten. Diejenige hat die gleiche wirtsch. Leistungsfähigkeit (bzgl. Vorr.st.bezügen), zahlt aber ggf. deutlich weniger KK-Betrag.

Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihren Einzelfall nicht bewerten kann. Ich hatte zu diesem Thema allerdings einige Anfragen in der Vergangenheit und kann Ihnen einige Grundsätze gerne erläutern: Wenn Sie in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) freiwillig versichert sind, werden alle Einnahmen zur Berechnung der Beiträge herangezogen. Dies ist in § 240 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) geregelt. Die Beiträge für freiwillig versicherte Rentner regelt u. a. § 238a SGB V.
Für den Eintritt der Versicherungspflicht gibt es Voraussetzungen. Besonders zu beachten sind die Regelungen für Personen, bei denen viele Jahre keine Versicherungspflicht vorlag und die erst spät erstmals oder erneut in die Versicherungspflicht fallen könnten. Die Versicherungspflicht tritt nicht ein bei Personen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und in den letzten fünf Jahren nicht gesetzlich versichert waren und mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder hauptberuflich selbstständig waren. Dies ist in § 6 SGB V geregelt. Ich gehe davon aus, dass dies die Regelung ist, die auf Ihren Fall zutrifft.
Die heute gültige Regelung wurde um die Jahrtausendwende unter der rot-grünen Regierung von Bundeskanzler Schröder beschlossen. Die entsprechende Begründung für finden Sie im Gesetzentwurf (Bundestags Drucksache 14/1245) unter dem Link https://dserver.bundestag.de/btd/14/012/1401245.pdf auf Seite 59 f.
Dort heißt es: "Die Neuregelung dient einer klareren Abgrenzung zwischen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung und dem Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten. Sie folgt dem Grundsatz, daß versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden haben, diesem System auch im Alter angehören sollen. (...) Nach geltendem Recht können diese Personen z. B. durch Veränderungen in der Höhe ihres Arbeitsentgelts, durch Übergang von Voll- in Teilzeitbeschäftigung oder von selbständiger Tätigkeit in eine abhängige Beschäftigung oder durch Bezug einer Leistung der Arbeitslosenversicherung auch dann Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung werden, wenn sie vorher zu keinem Zeitpunkt einen eigenen Beitrag zu den Solidarlasten geleistet haben. Auf diesem Wege wechselten im Zeitraum von 1992 bis 1997 immerhin 943000 Personen von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung. Da die Leistungsausgaben für ältere Versicherte ihre Beiträge im Regelfall erheblich übersteigen, werden die Beitragszahler durch diesen Wechsel zwischen den Versicherungssystemen unzumutbar belastet. Mit der Festsetzung der Altersgrenze auf 55 Jahre wird dem Rechnung getragen."
Sehr geehrter Herr S., ich halte diese gesetzlichen Regelungen und Begründungen für nachvollziehbar. Wer viele Jahre seines Berufslebens freiwillig bzw. privat versichert ist, kann sich mit langem Vorlauf auf die entsprechenden Beitragsregelungen in der Rente einstellen. Dies trifft auch dann zu, wenn man freiwillig Vorruhestandsregelungen in Anspruch nimmt.
Mit besten Grüßen
Reinhard Brandl